Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
I. Berücksichtigung des § 50d Abs. 3 EStG im Verfahren
1. Freistellungsverfahren (§ 50c Abs. 2 EStG)
Rz. 613
Verhältnis zu § 50d Abs. 3 EStG. Die Regelung des § 50d Abs. 3 EStG wird insbesondere im sog. Freistellungsverfahren nach § 50c Abs. 2 Nr. 1 EStG relevant, nämlich bei der Prüfung eines Anspruchs auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung. Dieser Anspruch besteht nur, wenn der Besteuerung bestimmter Einkünfte die § 43b, § 50g EStG oder ein DBA entgegenstehen. Dazu gehört die Prüfung, ob § 50d Abs. 3 EStG einem dieser Ansprüche entgegensteht. Die Prüfung hat für den Zeitpunkt der Erteilung der Freistellungsbescheinigung zu erfolgen (s. näher Rz. 611). Im Freistellungsverfahren ist auch der Gegenbeweis nach § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG zu führen.
Rz. 614
Anspruch auf Freistellungsbescheinigung. Nach § 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG hat der unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtige Gläubiger der Kapitalerträge bzw. Vergütungen (nicht deren Schuldner, vgl. § 50c Abs. 1 Satz 2 EStG) gegenüber dem BZSt einen Anspruch auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung, wenn (i) § 43b, § 50g oder ein DBA der Besteuerung im Zeitpunkt der Erteilung der Freistellungsbescheinigung (vgl. Rz. 611) bestimmter Einkünfte entgegenstehen, (ii) diesen Entlastungsnormen § 50d Abs. 3 EStG nicht entgegensteht, (ii) die Körperschaft eine Ansässigkeitsbescheinigung i.S.d. § 50c Abs. 5 Satz 2 EStG vorlegt und (iii) soweit bei Ansprüchen auf der Grundlage eines DBA ferner folgende Voraussetzungen vorliegen: (a) der Gläubiger der Kapitalerträge ist eine Kapitalgesellschaft, die in ihrem Ansässigkeitsstaat ohne Befreiung der Steuer vom Einkommen oder Gewinn unterliegt und (b) dem Gläubiger Kapitalerträge von einer unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 KStG zufließen, (c) an deren Nennkapital der Gläubiger zu mindestens 10 % unmittelbar beteiligt ist. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Freistellungsbescheinigung müssen zum Zeitpunkt ihrer Erteilung vorliegen, sodass auch § 50d Abs. 3 EStG für diesen Zeitpunkt zu prüfen ist (vgl. Rz. 611). Die Freistellungsbescheinigung ist nach § 50c Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 EStG rückwirkend mit Geltung ab dem Tag der Antragstellung zu erteilen; hierauf besteht ein Anspruch. S. zu Fragen des Freistellungsverfahrens auch Rz. 79 ff. (zum zeitlichen Anwendungsbereich).
Rz. 615
Freistellungsbescheinigung. Besteht ein Anspruch auf Erteilung einer Freistellungsbescheinigung, so hat das BZSt diese auf Antrag (vgl. § 50c Abs. 5 EStG) dem Gläubiger der Kapitalerträge bzw. Vergütungen (Bekanntgabeadressat; nicht hingegen dem Schuldner, vgl. § 50c Abs. 1 Satz 2 EStG, dieser ist nur Regelungsadressat) für einen Geltungszeitraum von höchstens drei Jahren frühestens (d.h. rückwirkend) ab dem Tag des Zugangs des Antrags beim BZSt (Befristung, vgl. § 50c Abs. 2 Satz 4 Alt. 1 EStG i.V.m. 120 Abs. 2 Nr. 1 AO) zu erteilen. Die Freistellungsbescheinigung ist ein Verwaltungsakt i.S.d. § 118 AO; sie ist aber kein Steuerbescheid i.S.d. § 155 Abs. 1 Satz 1 AO, da sie inhaltlich keine Festsetzung einer Steuer regelt. Die Freistellungsbescheinigung trifft vielmehr nach § 50c Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 EStG nur die Feststellung, dass § 43b, § 50g oder ein DBA der Besteuerung bestimmter Einkünfte nach den Verhältnissen zum Zeitpunkt ihrer Erteilung bis zum Wegfall ihrer Voraussetzungen (vgl. § 50c Abs. 2 Satz 4 EStG) entgegensteht und regelt, dass deshalb der Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen nicht zur Einbehaltung und Abführung (aber zur Anmeldung, vgl. § 50c Abs. 2 Satz 2 EStG) der Steuer verpflichtet ist. Die Freistellungsbescheinigung bewirkt also nur, dass der Schuldner der Erträge den Steuerabzug unterlassen oder nach einem geringeren Steuersatz vornehmen darf, sie trifft hingegen keine abschließende Entscheidung über die sachliche Steuerpflicht der betroffenen Erträge. Dass das BZSt nach dem neuen Gesetzeswortlaut nunmehr bescheinigt, dass die genannten Normen der Besteuerung der Einkünfte nicht entgegenstehen, ändert daran nichts. Die Regelungswirkung der Freistellungsbescheinigung beschränkt sich – wie der Einleitungssatz des § 50c Abs. 2 Satz 1 EStG zeigt – weiterhin nur auf die fehlende Pflicht des Schuldners zum Steuereinbehalt. Das BZSt kann mit der Freistellungsbescheinigung schon naturgemäß keine abschließende Entscheidung über die Besteuerung der von ihr betroffenen Erträge treffen, da es sich gerade um zukünftige Erträge handelt und der entsprechende Sachverhalt daher noch vollkommen unsicher ist (vgl. Rz. 611) – die Freistellungsbescheinigung ist keine verbindliche Auskunft.
Rz. 616
Rückwirkende Erteilung. Die Regelungswirkung der Freistellungsbescheinigung beginnt direkt mit deren Erteilung und mit Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Eingangs des Antrags beim BZSt, vgl § 50c Abs. 2 Satz 4 Halbs. 1 EStG) und ist nicht (mehr) davon abhängig, dass dem Schuldner der Kapitalerträge oder Vergütungen die Freistellungsbescheinigung vorliegt. Bei rückwirkender Erteilung der Freist...