Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
I. Beweislastverteilung
1. Subjektive Beweislast
Rz. 129
Subjektive Beweislast. Verfahrensrechtlich stellt sich zunächst die Frage, wer die Tatbestandsvoraussetzungen von § 50d Abs. 9 EStG nachzuweisen hat ("subjektive Beweislast"). Eine Regelung dazu enthält § 50d Abs. 9 EStG nicht, weshalb allgemeine Grundsätze zur Anwendung kommen, nach denen die Finanzbehörde infolge des Amtsermittlungsgrundsatzes (§ 88 Abs. 1 Satz 1 AO) grundsätzlich nachweispflichtig ist, der Steuerpflichtige aber für die amtsseitige Aufklärung mitwirken muss (§§ 90 ff. AO) und in Auslandssachverhalten umfassende Nachweis- und Beweisvorsorgepflichten hat. Es ist daher unpräzise von "keinen Nachweispflichten" des Steuerpflichtigen zu sprechen.
2. Objektive Beweislast
Rz. 130
Objektive Beweislast. Lassen sich die Tatbestandsvoraussetzungen nicht (vollständig) nachweisen, ist verfahrensrechtlich zweitens die Frage zu klären, wem die Unaufklärbarkeit zuzurechnen ist ("objektive Beweislast"). Bei einer ausdrücklich normierten Nachweispflicht des Steuerpflichtigen wäre diesem stets die objektive Beweislast für nicht erbrachte Nachweise zuzurechnen. Ist – wie vorliegend – keine ausdrückliche (subjektive) Nachweispflicht vorgesehen (s. Rz. 129), gelten allgemeine Grundsätze, nach denen die objektive Beweislast für steuerbegründende bzw. -erhöhende Tatsachen der Finanzbehörde und für steuermindernde Tatsachen dem Steuerpflichtige zuzurechnen ist. Aus diesem Grund liegt die objektive Beweislast für das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen der § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 2 EStG bei der Finanzbehörde, weil es bei der Einschränkung der Steuerfreistellung um steuerbegründende bzw. -erhöhende Tatsachen geht. Bei § 50d Abs. 9 Satz 2 EStG ist eine eventuelle Unaufklärbarkeit dagegen dem Steuerpflichtigen zuzurechnen, weil es um steuermindernde Tatsachen geht.
II. Nachweis- und Mitwirkungspflichten
Rz. 131
Allgemeines. Wie die für § 50d Abs. 9 EStG erforderlichen Nachweise praktisch zu führen sind, wird gesetzlich nicht gesondert konkretisiert und sind daher aus den jeweiligen Tatbestandsvoraussetzungen abzuleiten.
Rz. 132
§ 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG. Weil für die Anwendung von § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG zunächst ein abkommensrechtlicher Qualifikationskonflikt erforderlich ist (s. Rz. 63), geht es aus Sicht des Steuerpflichtigen darum zu belegen, dass dieser nicht eingetreten ist. Ergibt sich das schon aus der abstrakten Rechtslage, führt das zu erheblichen Erleichterungen für die Nachweiserbringung, weil hierfür bereits die Vorlage der gesetzlichen Regelungen oder Verwaltungsvorschriften ausreichend ist, was zudem in den Verantwortungsbereich der Finanzbehörde fällt, die im Rahmen ihrer Amtsermittlungspflicht auch den Inhalt des – allgemein verfügbaren – ausländischen Steuerrechts zu ermitteln hat. Der Steuerpflichtige hat im Zuge seiner erhöhten Mitwirkungspflichten (§ 90 Abs. 2 AO) zwar aufzuklären bzw. nachzuweisen, um welches ausländische Steuerrecht es geht – das sollte allerdings keine Schwierigkeiten bereiten, da es bei § 50d Abs. 9 Satz 1 Nr. 1 EStG allenfalls um zweiseitige Sachverhalte geht. Es dürfte aber ohnehin im eigenen Interesse des Steuerpflichtigen sein, die Finanzbehörde frühzeitig von der ausländischen Rechtslage zu überzeugen und die entsprechenden Informationen dafür selbst zu erbringen. Weil sich ein Qualifikationskonflikt aber nicht nur aus der abstrakten Rechtslage ergeben muss (z.B. bei einem Subsumtio...