(1) Verhältnis zum Freistellungsverfahren
Rz. 200
Frage der Anwendbarkeit von § 50d Abs. 1 Satz 11 im Freistellungsverfahren. Es erscheint problematisch, ob Satz 11 auch im Freistellungsverfahren zur Anwendung gelangt. Nach den Gesetzesmaterialien berührt die Neuregelung nicht das Recht zur Teilnahme am Freistellungsverfahren nach § 50d Abs. 2. Ist eine Person erstattungsberechtigt, kann sie hiernach unter den Voraussetzungen des § 50d Abs. 2 auch am Freistellungsverfahren teilnehmen.
Rz. 201
Schrifttum. Im Schrifttum ist diese Frage umstritten. Zum Teil wird eine Anwendung der Regelung des Abs. 1 Satz 11 im Rahmen von Freistellungsanträgen als folgerichtig bzw. sachgemäß angesehen. Allerdings erkennt diese Auffassung auch selbst hiermit verbundene Schwächen. Denn trotz vermeintlicher Folgerichtigkeit ist zu berücksichtigen, dass der Anwendungsbereich der Regelung dem Wortlaut nach auf die Erstattung von Abzugsteuer beschränkt ist. Außerdem führt die Anwendung im Rahmen des Freistellungsverfahrens zu Ungereimtheiten, die der Gesetzgeber unberücksichtigt lässt. So ist z.B. der Vergütungsgläubiger nach Abs. 2 Satz 4 verpflichtet, den Wegfall der Voraussetzungen für die Freistellung unverzüglich mitzuteilen. Da aber z.B. bei Vergütungszahlungen an eine hybride Gesellschaft Vergütungsgläubiger und Antragsteller (erstattungsberechtigte Person nach Abs. 1 Satz 11) abweichen können, erscheint es in diesem Fall wenig sachgerecht, wenn die Mitteilungspflicht dem nicht am Freistellungsverfahren beteiligten Gläubiger der Vergütung obliegt. Folglich wird mit durchaus nachvollziehbarer Begründung auch vertreten, dass Satz 11 keinen Anspruch auf Teilnahme am Freistellungsverfahren begründet. Der Gläubiger der Einnahmen kann hiernach keine Erstattung beantragen, wenn ihm die Einkünfte zwar nach deutschem, nicht aber nach ausländischem Steuerrecht zuzurechnen sind.
(2) Verhältnis zu weiteren Regelungen
Rz. 202
Verhältnis zu anderen multilateralen Erstattungsregeln und abkommensrechtlichen Eigenregelungen. Andere multilaterale Erstattungsregeln (z.B. §§ 43b oder 44a Abs. 9 EStG) bleiben von Satz 11 unberührt. Die Norm ist auch nachrangig gegenüber abkommensrechtlichen Eigenregelungen, die in Ermangelung eines gesetzlichen Gegenbefehls spezialiter vorgehen. Das gilt aber nur eingeschränkt, soweit man § 50d Abs. 1 Satz 11 materiell-rechtliche Bedeutung beimisst, was jedoch streitig ist. Insbesondere das in Art. 10 Abs. 2 Satz 1 Buchst. a OECD-MA enthaltene Erfordernis einer "unmittelbaren" Verfügung der begünstigten Gesellschaft über die Beteiligung an der (ausschüttenden) Tochtergesellschaft wäre dann nicht (wie ansonsten und nach Maßgabe des inländischen Rechts) zivilrechtlich aufzufassen, sondern zur Vermeidung von Wertungswidersprüchen gleichermaßen die nationale Qualifikation und die daraus abzuleitenden Zurechnung der Einkünfte steuerrechtlich zu überschreiben.
m) Entsprechende Anwendung von § 45 EStG (Satz 12)
Rz. 203
Erstattung grundsätzlich nur an den Inhaber des Stammrechtes der Kapitalerträge. Ausgehend von dem Grundsatz, dass die Kapitalerträge oder Vergütungen dem Gläubiger im Zuflusszeitpunkt zuzurechnen sein müssen, regelt § 50d Abs. 1 Satz 12, dass für die Erstattung von Kapitalertragsteuer § 45 EStG entsprechend gilt. Hiernach ist eine Erstattung der Kapitalertragsteuer an den Zahlungsempfänger grundsätzlich ausgeschlossen, wenn die Dividenden an einen anderen als den Anteilseigner ausgezahlt werden. Bei Kapitalerträgen erfolgt die Erstattung damit grundsätzlich nur an den Inhaber des Stammrechtes. Eine Ausnahme hiervon besteht lediglich für den Erwerber von Dividendenscheinen oder eines sonstigen Anspruchs in den Fällen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a Satz 2 EStG. Für diesen gilt der Ausschluss gem. § 45 Satz 1 EStG nicht (§ 45 Satz 2 EStG). Diese Ausnahme gilt allerdings nicht für Zinsscheine. In den Fällen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe b EStG ist die Erstattung von Kapitalertragsteuer an den Erwerb...