Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
1. Einführung des § 7 in 1972 und Reform in 2021
Rz. 1
Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung. Man muss die Hinzurechnungsbesteuerung vor dem Hintergrund der Tatsache verstehen, dass das dt. Ertragsteuerrecht Körperschaften als eigenständige Steuersubjekte behandelt, die die von ihnen erzielten Einkünfte selbst versteuern. Damit ist eine Abschirmwirkung zu Gunsten der an der Körperschaft beteiligten Personen verbunden. Die von einer Körperschaft erzielten Einkünfte werden den an ihr beteiligten Personen solange nicht zugerechnet, als die Körperschaft nicht ausschüttet. Dies gilt gleichermaßen für im Inland und im Ausland ansässige Körperschaften und lädt dazu ein, nicht unternehmerische (= passive) Einkunftsquellen auf Körperschaften zur Erzielung steuerlicher Vorteile zu verlagern. Ist die entsprechende Körperschaft im niedrig besteuernden Ausland ansässig, so kann die Einkünfteverlagerung zu erheblichen Steuerersparnissen führen. Die Hinzurechnungsbesteuerung anerkennt in tatsächlicher Hinsicht die Einkünfteverlagerung als solche. Sie wird i.d.R. nicht als missbräuchlich behandelt. Es soll nur die steuerliche Abschirmwirkung im Rahmen der ESt, der KSt und der GewSt beseitigt werden (zur historischen Entwicklung der Hinzurechnungsbesteuerung s. Vor §§ 7–14 AStG Rz. 32 ff.). Von den an einer ausländischen Körperschaft beteiligten unbeschränkt oder beschränkt steuerpflichtigen Personen werden die genannten Steuern so erhoben, wie sie angefallen wären, wenn die ausländische Körperschaft ihre Einkünfte zum frühestmöglichen Zeitpunkt ausgeschüttet hätte. Die entsprechende Rechtsfolge greift nur für niedrig besteuerte Einkünfte aus passivem Erwerb der im Ausland ansässigen Körperschaft. In diesem Sinn regelt § 7 Abs. 1 die Rechtsfolge, aber auch die Voraussetzungen des Grundtatbestandes der Hinzurechnungsbesteuerung. Dies gilt gleichermaßen für die Hinzurechnung als solche, für die Person des Hinzurechnungsempfängers, für den Gegenstand der Hinzurechnung, für die "ausländische Gesellschaft" als den Ausgangspunkt der Hinzurechnungsbesteuerung als auch für die Beteiligung des Hinzurechnungsempfängers an der ausländischen Gesellschaft. § 8 Abs. 1 und 3 regelt ergänzend, was im Einzelnen zum Gegenstand der Hinzurechnung gehört. Die Vorschrift zählt insoweit zum Grundtatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung.
Rz. 2
Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung. Die Ziele und der Zweck der Hinzurechnungsbesteuerung werden unter Vor §§ 7–14 AStG Rz. 32 ff. im Einzelnen dargestellt.
Rz. 3
Einführung in 1972 und grundlegende Reform in 2021. § 7 wurde mit Wirkung ab dem 1.1.1972 in das AStG v. 8.9.1972 eingeführt. Bis zu seiner grundlegenden Reform durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 war die Konzeption des § 7 ohne wesentliche Änderungen geblieben (vgl. auch Vor §§ 7–14 AStG Rz. 34, 42 und 81 ff.). Es fand das Konzept der Inländerbeherrschung Anwendung, wonach der Tatbestand der Hinzurechnungsbesteuerung voraussetzte, dass mehr als die Hälfte der Anteilseigner einer Zwischengesellschaft in Deutschland der unbeschränkten Steuerpflicht unterliegen. Mit dem ATADUmsG v. 25.6.2021 wurde die Hinzurechnungsbesteuerung an den verpflichtenden unionsrechtlichen Mindeststandard der Art. 7 und 8 ATAD (Vor §§ 7–14 AStG Rz. 18 ff.) angepasst. Dies machte es notwendig, § 7 grundlegend zu reformieren und auf das sog. Beherrschungskonzept umzustellen. Dieses geht von einer gesellschafterbezogenen Betrachtung aus, wonach der Steuerpflichtige entweder alleine oder zusammen mit nahestehenden Personen die ausländische (Zwischen-)Gesellschaft beherrscht. Damit unterliegen nach neuem Recht die Einkünfte der Zwischengesellschaft der Hinzurechnungsbesteuerung, wenn der (unbeschränkt oder beschränkt) Steuerpflichtige die Gesellschaft "beherrscht". Die Beherrschungskriterien sind in § 7 Abs. 2 definiert, im Kern setzen sie eine Beteiligung des Steuerpflichtigen – auch unter Berücksichtigung nahestehender Personen gem. § 1 Abs. 2 – von mehr als der Hälfte der Anteile am Nennkapital, mehr als der Hälfte der Stimmrechte oder mehr als der Hälfte des Anteils am Gewinn oder am Liquidationserlös der ausländischen (Zwischen-)Gesellschaft voraus. Eine weitere zentrale Änderung des § 7 durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 bezieht sich auf die "Verschiebung" der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung gem. § 7 Abs. 6 und 6a a.F. in den neuen § 13.
Rz. 4
Referentenentwürfe zum AStG. § 7 gehört zu den Vorschriften, deren Gesamtkonzeption bis zu seiner Reform durch das ATADUmsG v. 25.6.2021 seit dem 1. RefE zum AStG beibehalten worden ist. Wenn § 7 dennoch in seiner kurzen Entstehungsgeschichte des AStG v. 8.9.1972 zahlreiche Änderungen erfahren hat, so betrafen diese vor allem die Unzulänglichkeiten, die den ersten Entwürfen des AStG im Gesetzgebungsprozess 1971/1972 anhafteten. Als unzulänglich musste insbes. die noch in § 7 Abs. 2 i.d.F. des Kabinettsentwurfs v. 30.6.1971 (KabE) vorgesehene Regelung einer Beteiligung zu mehr als der Hälfte bezeichn...