Rz. 2781

[Autor/Stand] Rechtslage bis 2012 einschließlich. Der Begriff "Geschäftsbeziehung" war bis einschließlich 1991 in § 1 gesetzlich nicht definiert. Der BFH ging in seinem Urt. v. 30.5.1990 – I R 97/88[2] davon aus, dass der Begriff unter Veranlassungsgesichtspunkten auszulegen sei, sodass alle Beziehungen, die ausschließlich durch ein Gesellschaftsverhältnis veranlasst sind, nicht als Geschäftsbeziehungen einzuordnen waren. Dem Gesetzgeber war diese Sichtweise zu eng. Er fügte mit Wirkung ab dem VZ 1992 durch Art. 17 Nr. 1 StÄndG 1992[3] dem § 1 einen Abs. 4 an und regelte dort den Ausdruck gesetzlich. Nach § 1 Abs. 4 sollte eine Geschäftsbeziehung anzunehmen sein, wenn die den Einkünften zugrunde liegende Beziehung entweder beim Stpfl. oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Im Ergebnis schloss diese Formulierung allerdings nicht aus, dass der BFH an seiner o.g. Rspr.[4] festhielt und alle privat bzw. durch das Gesellschaftsverhältnis veranlassten Ereignisse aus dem Anwendungsbereich des § 1 ausklammerte, weil sie schon nach allgemeinen Grundsätzen die Einkünfte nicht mindern durften.

Im StVergAbG v. 16.5.2003[5] wurde § 1 Abs. 4 noch einmal geändert und dergestalt gefasst, dass nun jede den Einkünften zugrunde liegende schuldrechtliche Beziehung erfasst werden sollte, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist und die – wie vorher – entweder beim Stpfl. oder bei der nahestehenden Person Teil einer Tätigkeit ist, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG anzuwenden sind oder im Falle eines ausländischen Nahestehenden dann anzuwenden wären, wenn die Tätigkeit im Inland vorgenommen würde. Die Gesetzesänderung bedeutete einen Systembruch, da sich § 1 Abs. 4 plötzlich am Zivilrecht orientierte, obwohl die Auslegung der Einkünftekorrekturvorschriften bisher vom Veranlassungsgrundsatz geprägt war. Es blieb auch unberücksichtigt, dass eine "private Veranlassung" nicht zwangsläufig schuldrechtlicher Natur sein muss.

Im UntStRG v. 14.8.2007[6] wurde der Regelungsinhalt des bisherigen § 1 Abs. 4 schließlich in den Abs. 5 verlagert, ohne dass der Inhalt im Übrigen geändert worden wäre.

 

Rz. 2781.1

[Autor/Stand] Amtshilferichtlinie-Umsetzungsgesetz. Im AmtshilfeRLUmsG v. 26.6.2013[8] wurde der bisherige § 1 Abs. 4 ersatzlos aufgehoben, sodass der bisherige § 1 Abs. 5 wieder zu Abs. 4 wurde. Wesentlicher Bestandteil der Änderungen durch das AmtshilfeRLUmsG war die Einführung des Begriffs der "anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehung", der Geschäftsvorfälle zwischen verschiedenen Betriebsstätten eines Unternehmens erfassen soll (Rz. 2791.1 ff.). Zudem wurden in § 1 Abs. 4 einige inhaltliche Anpassungen vorgenommen. Seither wird der Begriff "Geschäftsbeziehung" als "einzelne oder mehrere zusammenhängende wirtschaftliche Vorgänge (Geschäftsvorfälle)" definiert, denen keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zugrunde liegt und die – wie vorher – Teil einer Tätigkeit sind, auf die die §§ 13, 15, 18 oder 21 EStG usw. Anwendung finden. Mithin wurde also der Begriff "Geschäftsbeziehung" durch den des "Geschäftsvorfalls" ersetzt. Auch wenn man dies vor dem Hintergrund der ebenfalls durch das AmtshilfeRLUmsG eingefügten Vorschriften zur betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-abgrenzung in § 1 Abs. 5 sehen muss, hat sich durch die Neuformulierung weder die Klarheit noch die Rechtssicherheit von § 1 Abs. 4 wesentlich erhöht. Aus der "Beziehung, die keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung ist" wurde "ein Geschäftsvorfall, dem keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt". Die Formulierung "zugrunde liegt" deutet einen Schritt in Richtung der Anwendung des Veranlassungsprinzips an. Die Tendenz des Gesetzgebers geht dennoch offensichtlich dahin, den Begriff weit auszulegen.

Insbesondere der Begriff "wirtschaftliche Vorgänge" ist unklar. Auch die Gründung einer Kapital- oder Personengesellschaft ist zweifelsfrei ein wirtschaftlicher Vorgang. Es kommt daher wesentlich auf den sich anschließenden Relativsatz an, wonach dem "wirtschaftlichen Vorgang" keine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung zugrunde liegen darf. Um die Problematik dieser Formulierung zu erkennen, muss man nur an die Einlage von Bargeld durch einen Gesellschafter in das Vermögen seiner Kapitalgesellschaft denken. Diese Einlage ist zunächst einmal ein tatsächlicher Vorgang, dem zweifellos eine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegen kann, aber nicht zugrunde liegen muss. Es macht aber wenig Sinn, die Korrekturmöglichkeit nach § 1 davon abhängig zu machen, ob eine gesellschaftsrechtliche Vereinbarung gewählt wurde oder nicht.

 

Rz. 2781.2

[Autor/Stand] Zollkodex-Anpassungsgesetz. Im ZollkodexAnpG v. 22.12.2014[10] erfuhr die Definition der Geschäftsbeziehung zwischen einem Stpfl. und einer nahestehenden Person (§ 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1) mehrere Konkretisierungen. Ausweislich der Gesetzesbegründ...

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