Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld, Gary Rüsch
1. Gemeinsame Tatbestandsvoraussetzungen
a) Erfassung von Einkünften
„(9) [1] Sind Einkünfte ...”
Literatur
Cloer/Hagemann, Der Einkünftebegriff i.S.v. § 50d Abs. 9 EStG, IStR 2015, 489; Pohl, Zur Diskussion des Einkünftebegriffs im Sinne des § 50d Abs. 9 EStG, DB 2012, 258.
Rz. 46
Allgemeines. § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG erfasst alle Einkünfte (s. Rz. 47 ff.), die einer abkommensrechtlichen Steuerfreistellung (s. Rz. 55 ff.) unterfallen. Die Vorschrift verwendet den Begriff der "Einkünfte" insgesamt an sieben Stellen, es sind aber grundsätzlich überall dieselben Einkünfte gemeint, nämlich die abkommensrechtlich freizustellenden Einkünfte. Lediglich § 50d Abs. 9 Satz 4 EStG ist anders zu verstehen (s. Rz. 119), weil hier das modifiziert wird, was abkommensrechtlich freizustellen ist.
Rz. 47
Einkünfte. § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG spricht ohne sachliche Einschränkungen (z.B. im Hinblick auf die Einkunftsart) von "Einkünften". Daraus ergibt sich, dass – unter den weiteren Voraussetzungen der Vorschrift – sämtliche abkommensrechtlich freizustellenden (s. Rz. 55 ff.) Einkünfte erfasst werden. Dabei sind in Ermangelung anderweitiger Vorgaben nicht nur positive, sondern auch negative Einkünfte gemeint (s. Rz. 50).
Rz. 48
Abkommensrechtlicher oder innerstaatlicher Einkünftebegriff. Welcher Einkünftebegriff maßgeblich ist, hat – das liegt auf der Hand – nur dort eine Relevanz, wo beide Begriffe unterschiedlich sind. Als innerstaatliche Vorschrift ist für § 50d EStG zunächst – auch das erscheint naheliegend – der innerstaatliche Einkünftebegriff (§ 2 EStG) maßgeblich, was durch den identischen Wortlaut ("Einkünfte") bestätigt wird und sich auch daraus ergibt, dass für eine abkommensrechtliche Steuerfreistellung zunächst steuerpflichtige Einkünfte nach innerstaatlichem Recht gegeben sein müssen. Dennoch wirkt sich auch der abkommensrechtliche Einkünftebegriff aus, weil ansonsten keine abkommensrechtliche Steuerfreistellung beansprucht werden kann, weshalb es letztlich also um eine Schnittmenge aus beiden Begriffen gehen wird. Davon zu unterscheiden ist die Frage der Einkünfteermittlung, was keine unmittelbare Frage von § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG ist, da die Vorschrift gedanklich erst dann zur Anwendung kommt, wenn bereits feststeht, was abkommensrechtlich freizustellen ist. Weiterhin zu unterscheiden ist, wenn Einkünfte innerstaatlich in eine, abkommensrechtlich aber in mehrere Einkunftsarten fallen, was sich anhand von Gewinnanteilen und Sondervergütungen verdeutlichen lässt. Hier stellt sich die Frage, ob § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG auch Einkunftsteile erfasst (s. Rz. 49).
Rz. 49
Einkünfte und Einkunftsteile. Nach der Rechtsprechung des BFH sind mit dem Begriff der "Einkünfte" die gesamten Einkünfte einer Einkünftekategorie gemeint (z.B. alle Einkünfte i.S.d. § 15 EStG) und nicht darin enthaltene Einkunftsteile (z.B. Gewinnanteile oder Sondervergütungen), was bis einschließlich zum VZ 2016 aufgrund der Formulierung "wenn" mit einem eingeschränktem Anwendungsbereich von § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG verbunden war (s. Rz. 56).
Rz. 50
Negative Einkünfte. § 50d Abs. 9 EStG spricht von "Einkünften", womit für gewöhnlich nur positive Einkünfte verbunden werden. Unter den Einkünftebegriff fallen nach allgemeinen Grundsätzen aber auch negative Einkünfte, d.h. Verluste (bei Gewinneinkünften) und Werbungskostenüberschüsse (bei Überschusseinkünften). In Ermangelung anderweitiger Vorgaben werden diese auch von § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG erfasst, was im Schrifttum unstreitig ist, der ausdrücklichen Auffassung des Gesetzgebers entspricht und auch durch den BFH bestätigt wurde. Für den Steuerpflichtigen kann sich das positiv auswirken, weil negative Einkünfte in den hier relevanten Fällen ansonsten ebenfalls der abkommensrechtlichen Steuerfreistellung unterfallen würden, durch deren Ausschluss aber nunmehr grundsätzlich in der inländischen Steuerbemessungsgrundlage berücksichtigt werden können (s. dazu Rz. 99). Die Erfassung (auch) negativer Einkünfte ist konsequent, vor dem Hintergrund der bisherigen "Abwehrgesetzgebung" aber keine Selbstverständlichkeit, da es nicht verwundert hätte, wenn der Gesetzgeber diese Fälle einseitig vom Anwendungsbereich ausgeschlossen hätte.
b) Unbeschränkt Steuerpflichtiger
"... eines unbeschränkt Steuerpflichtigen ..."
Rz. 51
Allgemeines. § 50d Abs. 9 Satz 1 EStG ist "nur" bei unbeschränkt (s. Rz. 53) Steuerpflichtigen (s. Rz. 52) anzuwenden. Damit werden beschränkt Steuerpflichtige (§ 1 Abs. 4 EStG, § 2 KStG) und erweitert beschränkt Steuerpflichtige (§ 2 AStG) mit ihren inländischen Einkünften bereits tatbestandlich nicht erfasst. Grund dafür ist, dass der Gesetzgeber die korrespondierende Besteuerung nur für die Fälle verwirklichen wollte, in denen ausländische Einkünfte in Deutschland abkommensrechtlich freizustellen sind. Eine abkommensrechtliche Freistellungsverpflichtung ergibt sich vor allem für den Ansässigkeitsstaat und dami...