Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Zweck und Inhalt der Regelung
Rz. 21
Zweck. §§ 1, 2 StAmnVO (vgl. zu dieser Vorläufernorm unter Rz. 1) verfolgte ausdrücklich das Ziel, das Kapital, welches in politisch und wirtschaftlich unsicheren Zeiten in ausländische Stiftungen angelegt worden war, wieder "in das Inland zurückzuführen" (vgl. Gesetzesbegründung zur StAmnVO unter Rz. 1). Gelänge dies, wäre auch das zweite Ziel der Norm erreicht, "diese Stiftungsvermögen steuerlich richtig zu erfassen" (vgl. Gesetzesbegründung zur StAmnVO unter Rz. 1). Der Fokus der Vorschrift auf die Beeinflussung internationaler Kapitalströme ist im Laufe der Zeit verloren gegangen: Der Gesetzgeber des JStG 2009 erwähnt nur noch ein steuerbezogenes Motiv (Herstellung einer gleichmäßigen Besteuerung). Gleiches gilt für die Rechtsprechung (Bekämpfung von Steuerflucht und Steuervermeidung), ohne dass sie das Motiv auf Bekämpfung missbräuchlicher Gestaltungen verengen würde. Heute bezweckt die Norm daher, Steuervermeidungsstrategien zu behindern, die auf der Verlagerung von Einkünften und Vermögen auf ausländische Familienstiftung fußen. Betroffen sind Strukturen, bei deren Errichtung die endgültige Übertragung von Vermögen auf eine rechtlich verselbständigte Vermögensmasse nicht in aller Konsequenz vom Stifter gewollt war. Paradebeispiel bilden die sog. "kontrollierten Stiftungen", wie sie über Jahrzehnte hinweg namentlich in Liechtenstein errichtet wurden. Zwar findet die Vermögensdotation solcher Stiftungen schon nach den allgemeinen Regeln des Ertragsteuerrechts (und auch des Schenkungssteuerrechts) keine Anerkennung. Aber der Nachweis dafür, dass die Voraussetzungen der §§ 39 Abs. 2 Nr. 1, 42 AO erfüllt sind, kann im Einzelfall schwierig zu führen sein. In den Worten des BFH: "Werden entsprechende Vereinbarungen im Ausland abgeschlossen, so ist es ohne weiteres möglich, durch Zusatzvereinbarungen das zu verdecken, was wirklich gewollt ist." In dieser Hinsicht verfolgt § 15 somit im Kern einen verfahrensrechtlichen Zweck, nämlich die Finanzverwaltung von der Pflicht zu entbinden, die Voraussetzungen einer verdeckten Treuhand oder einer missbräuchlichen Gestaltung nachzuweisen. Die Rechtsfolge des § 15 trifft allerdings darüber hinaus auch solche ausländischen Familienstiftungen, die der Stifter als eigenständig agierende KSt-subjekte gewollt hat. Als solche erzielen sie eigene Einkünfte (§ 8 Abs. 1 Satz 1 KStG i.V.m. § 2 Abs. 1 EStG), so dass ihre finanzielle Leistungsfähigkeit – außerhalb einer etwaigen beschränkten Steuerpflicht (§ 2 Nr. 1 KStG) – der deutschen Einkommensteuer nur insoweit unterliegt, als die Stiftung daraus steuerbare Zahlungen an Steuerinländer leistet (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG). Mithin werden Gewinne und Einnahmenüberschüsse bis zu ihrer Auskehrung einer Belastung mit deutscher ESt entzogen – und überdies im Ansässigkeitsstaat der Stiftung oft nur gering besteuert. Diese Abschirmwirkung der ausländischen Familienstiftung will § 15 durchbrechen. In dieser Hinsicht bildet die Norm das Gegenstück zur Hinzurechnungsbesteuerung. Darüber hinaus ist eine ausländische Familienstiftung auch geeignet, die Belastung mit anderen deutschen Steuern zu mildern oder zu vermeiden: Solange in Deutschland eine Vermögensteuer erhoben wurde, konnte mit der Errichtung einer ausländischen Familienstiftung VSt reduziert oder – wenn das Stiftungsvermögen kein Inlandsvermögen i.S.v. § 121 BewG war – auch vollständig vermieden werden. Ferner ist die ausländische Familienstiftung geeignet, das Familienvermögen von Erbschaftsteuer zu entlasten. Dies wird zwar im Zweifel erst beim zweiten Erbgang nach dem Stifter fühlbar, da der Übergang des Vermögens vom Stifter auf die Familienstiftung im Zweifel einer höheren ErbSt unterliegt (§ 7 Abs. 1 Nr. 8, § 15 Abs. 1, 2 Satz 1 ErbStG) als ein Erwerb von Todes wegen durch die Erben (§ 3 Abs. 1 Nr. 1, § 15 ErbStG). Zumindest im Zuge weiterer Schritte in der Generationennachfolge zeigt sich jedoch das Entlastungspotential der ausländischen Familienstiftung. § 15 zielt aber nicht darauf ab, die Vermeidung dieser Steuer zu bekämpfen. Denn die Zurechnung von Vermögen gilt ausdrücklich nicht für Zwecke der ErbSt (§ 15 Abs. 1 Satz 2).
Rz. 22
Allgemeiner Inhalt der Norm. § 15 durchbricht die Abschirmwirkung, welche die ausländische Familienstiftung in Bezug auf ihre Einkünfte gegenüber der deutschen ESt entfaltet. Die Vorschrift setzt voraus, dass die ausländische Familienstiftung ein selbständiges Rechtssubjekt ist, welches eigene Einkünfte erzielt, die nach den allgemeinen Vorschriften keiner anderen Person steuerlich zugerechnet werden können (vgl. Rz. 78). Nicht die Einkünfteerzielung der Stiftung, sondern erst die erzielten Einkünfte (vgl. noch näher Rz. 77, 110 f.) unterliegen einer Zurechnung bei den hinter der Stiftung stehenden Personen. Insoweit bestehen Parallelen zwischen § 15 einerseits und §§ 7–14 andererseits. Im Unterschied zu den §§ 7 ff. kommt es bei § 15 weder auf die Höhe der Belastung der Einkünfte bei...