Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
1. Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung durch das UntStRefG 2008
Rz. 1105
Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung durch das UntStRefG. Im Zuge des UntStRefG 2008 vom 14.8.2007 hat der Gesetzgeber in § 1 Abs. 3 Satz 9 und 10 a.F. erstmals eine Regelung zur Besteuerung grenzüberschreitender Funktionsverlagerungen getroffen, die bei ihrer Einführung folgenden Wortlaut hatte:
"Wird in den Fällen des Satzes 5 eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken und der mitübertragenen oder überlassenen Wirtschaftsgüter und sonstigen Vorteile verlagert (Funktionsverlagerung), hat der Steuerpflichtige den Einigungsbereich auf der Grundlage einer Verlagerung der Funktion als Ganzes (Transferpaket) unter Berücksichtigung funktions- und risikoadäquater Kapitalisierungszinssätze zu bestimmen. In den Fällen des Satzes 9 ist die Bestimmung von Verrechnungspreisen für alle betroffenen einzelnen Wirtschaftsgüter und Dienstleistungen nach Vornahme sachgerechter Anpassungen anzuerkennen, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass keine wesentlichen immateriellen Wirtschaftsgüter und Vorteile mit der Funktion übergegangen sind oder zur Nutzung überlassen wurden oder dass das Gesamtergebnis der Einzelpreisbestimmungen, gemessen an der Preisbestimmung für das Transferpaket als Ganzes, dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht."
Ist der Tatbestand einer Funktionsverlagerung erfüllt, ist grundsätzlich eine Gesamtbewertung des übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Transferpakets vorzunehmen. Eine Einzelbewertung der materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter, aus denen sich das Transferpaket zusammensetzt, ist nur in bestimmten Ausnahmefällen zulässig. Der Gesetzgeber begründet die aus der Transferpaketbewertung folgende Abweichung vom handels- und steuerrechtlichen Grundsatz der Einzelbewertung damit, dass der Preis der einzelnen übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter den Wert der Funktion als Ganzes regelmäßig nicht adäquat widerspiegele. Ziel des Gesetzgebers ist es also, im Rahmen der Gesamtbewertung eines Transferpakets einen Mehrwert der Besteuerung zu unterwerfen, der bei einer Einzelbewertung der übertragenen oder zur Nutzung überlassenen Wirtschaftsgüter unbesteuert bliebe. Bei diesem Mehrwert kann es sich nur um einen Teil des Geschäfts- oder Firmenwerts handeln, der nach Auffassung des Gesetzgebers bei einer grenzüberschreitenden Funktionsverlagerung übergeht. Im Ergebnis behandelt der Gesetzgeber eine Funktionsverlagerung damit wie die Veräußerung eines Betriebs oder Teilbetriebs, bei der es nach der höchstrichterlichen Rspr. zu einem Übergang des Geschäfts- oder Firmenwerts kommen kann. In der Literatur ist auch die Rede davon, dass es sich bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung um eine Form der "betrieblichen Wegzugsbesteuerung" i.Z.m. der Verlagerung von Geschäftstätigkeiten ins Ausland handelt, bei der es im Ergebnis um eine Entstrickungsbesteuerung für ein Gewinnpotenzial geht.
Rz. 1106
Anpassung durch das StEUVUmsG. Mit dem StEUVUmsG v. 8.4.2010 hat die Vorschrift zur Funktionsverlagerungsbesteuerung verschiedene redaktionelle Anpassungen erfahren. Gleichzeitig wurden die Ausnahmetatbestände, die eine Einzelbewertung erlauben, um eine zusätzliche Ausnahmeregelung erweitert. Konkret wurde in § 1 Abs. 3 Satz 10 zweiter Halbs. a.F. geregelt, dass eine Einzelbewertung auch dann möglich ist, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass zumindest ein wesentliches immaterielles Wirtschaftsgut, das er genau bezeichnet, Gegenstand der Funktionsverlagerung ist. Den Gesetzesmaterialien lässt sich in diesem Zusammenhang entnehmen, dass v.a. selbstgeschaffene immaterielle Wirtschaftsgüter, die Gegenstand einer Verlagerung waren, vom Betriebsprüfer in der Vergangenheit oftmals nicht erkannt und bewertet werden konnten und dass auch dies ein Grund für die Einführung der Funktionsverlagerungsbesteuerung gewesen sei. Wenn der Steuerpflichtige die wesentlichen immateriellen Werte, die Gegenstand einer Funktionsverlagerung sind, indes benennt und die Verrechnungspreisbestimmung sodann nach den allgemeinen Regeln erfolge, sei kein wesentlicher Rückgang des Steueraufkommens zu befürchten; zwar komme eine andere Bewertungsmethodik zum Ansatz, doch bestehe grundsätzlich nicht das Risiko, dass das verlagerte Steuersubstrat unerkannt bleibt. Mit der Einführung dieser zusätzlichen Ausnahmeregelung hat der Gesetzgeber letztlich auch auf die anhaltende Kritik von Schrifttum und Wirtschaft am Grundsatz der Gesamtbewertung reagiert, die ansonsten nur bei der Verlagerung von Betrieben oder Betriebsteilen bekannt ist. Die Neuregelung galt gem. § 21 Abs. 16 a.F. ab dem Veranlagungszeitraum 2008.
Rz. 1107
Ergänzung durch Rechtsverordnung und Verwaltungsanweisung. Mit der FVerlV vom 12.8.2008 (nachfolgend: FVerlV 2008) wurden auf der Grundlage des § 1 Abs. 3 Satz 13 a.F. weitere Vorschriften erlassen, die den Gesetzestext ergänzen und konkretisieren; die späteren Änderungen durch das St...