Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
2 Immaterielle Werte sind ...
1. Ursprung des Begriffs
Rz. 2690
Begriffsbestimmung in § 1 Abs. 3c Satz 2. § 1 Abs. 3c Satz 2 enthält erstmals eine Legaldefinition des Begriffs des immateriellen Werts. Hinzuweisen ist darauf, dass damit auch in deutsch-steuerlicher Hinsicht eine Begriffserweiterung über den von der Rechtsprechung konkretisierten Begriff des immateriellen Wirtschaftsguts hinaus erfolgt, was der Begriffsweite der OECD-Definition (Rz. 91) entspricht. Neu ist der Begriff des immateriellen Werts im deutschen Steuerrecht freilich nicht, da er bereits im Rahmen der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-aufteilung verwendet wird (§ 2 Abs. 6 Nr. 2 sowie § 6 BsGaV). Eine gesetzliche Definition fehlte allerdings bislang; auch die VWG BsGa umkreisen den Begriff lediglich und arbeiten mit Regelbeispielen („Patent, Marke, Know-how, Geschäftswert usw., hierzu auch Rz. 2958). Insoweit ist die reine Tatsache einer Definition zunächst im Sinne der Rechtssicherheit zu begrüßen.
Die inhaltliche Ausgestaltung der Begriffsbestimmung ist aber gleichwohl kaum geeignet, die Rechtssicherheit zu erhöhen, denn § 1 Abs. 3c Satz 2 übernimmt die sehr weitgehende und damit unklare Definition der OECD-Leitlinien 2022 (hierzu Rz. 2692). Gem. § 1 Abs. 3c Satz 2 umfasst der Begriff des immateriellen Werts solche „Vermögenswerte,
- 1. die weder materielle Wirtschaftsgüter oder Beteiligungen noch Finanzanlagen sind,
- 2. die Gegenstand eines Geschäftsvorfalls sein können, ohne einzeln übertragbar sein zu müssen, und
- 3. die einer Person eine tatsächliche oder rechtliche Position über diesen Vermögenswert vermitteln können”.
Die Gesetzesbegründung nennt beispielhaft die folgenden Vermögenswerte, die regelmäßig als immaterielle Werte einzuordnen seien:
- Patente,
- Know-how und Handelsgeheimnisse,
- Warenzeichen, Handelsnamen und Marken,
- vertragliche Rechte und staatliche Lizenzen,
- Lizenzen und vergleichbare Rechte an immateriellen Werten.
Rz. 2691
Begriffsbestimmung in den OECD-Leitlinien 2010. Tz. 6.2 OECD-Leitlinien 2010 enthält ebenfalls eine Definition von immateriellen Werten. Dabei wird zwar nicht der Begriff "Intangible Asset", sondern der eher an gewerbliche Schutzrechte anknüpfende Begriff "Intangible Property" verwendet. Dieser umfasst jedenfalls zum einen die Rechte auf Benutzung gewerblicher Wirtschaftsgüter wie Patente, Marken, Firmennamen, Muster oder Modelle, zum anderen literarische und künstlerische Eigentumsrechte sowie geistiges Eigentum wie Know-how und Handelsgeheimnisse. Im Vordergrund der OECD-Leitlinien stehen die immateriellen Werte im Zusammenhang mit gewerblichen Aktivitäten ("Commercial Intangibles"). Diese werden nochmals in die Sonderformen "Marketing Intangibles" (Produkt- und Dienstleistungsmarken sowie Handelsnamen) und "Trade Intangibles" unterteilt. Die "Marketing Intangibles" sind absatzorientiert, während sich die "Trade Intangibles" auf Patente, Know-how und Rechte zur Herstellung von Produkten beziehen, also produktionsorientiert sind.
Rz. 2692
Begriffsbestimmung in den OECD-Leitlinien seit 2017. Die OECD-Leitlinien seit 2017 zeigen ein nun erheblich abweichendes Begriffsverständnis im Vergleich zu den OECD-Leitlinien 2010. Dabei gehen die hier vorgenommenen Änderungen weitgehend auf den Entwurf zur Neufassung von Kapitel VI der OECD-Leitlinien v. 30.7.2013 zurück. Offenkundig wird das abweichende Begriffsverständnis bereits an der nun verwendeten Bezeichnung "Intangibles" statt des bislang verwendeten Ausdrucks "Intangible Property", woraus sich ein weitergehendes Verständnis ableiten lässt. Dies wird verstärkt durch die Feststellung, dass "Intangibles" über die für Rechnungslegungszwecke verwendeten "Intangible Assets" hinausgehen. Insofern überrascht die allgemeine Definition nicht: „the word ‚intangible‘ is intended to address something which is not a physical asset or a financial asset, which is capable of being owned or controlled for use in commercial activities, and whose use or transfer would be compensated had it occurred in a transaction between independent parties in comparable circumstances”. Als unter diese Definition fallende Beispiele werden aufgezählt: Patente, Know-how, Marken, Vertragsrechte und Lizenzen, aber auch "Goodwill and Ongoing Concern Value". Hingegen sollen Standortvorteile ("Location Savings"), Gruppensynergien ("Group Synergies"), Marktbedingungen ("Market Specific Characteristics") und ein eingespielter Mitarbeiterstamm ("Assembled Workforce") nicht als "Intangibles" verstanden werden. Dennoch sieht die OECD hierin, wenn auch keinen immateriellen Wert, so doch einen Vergleichbarkeitsfaktor im Rahmen der Verrechnungspreisbestimmung. Denn insofern ist unbestritten, dass Bedingungen eines lokalen Markts wie verfügbares Haushaltseinkommen, Größe oder relative Wettbewerbsfähigkeit eines Markts die Bestimmung von fremdüblichen Verrechnungspreisen eines Geschäftsvorgangs beeinflussen können. Die OECD trit...