Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 399a
Literatur:
Grotherr, IWB Gruppe 1, Fach 3, S. 2269; Hammerschmitt/Rehfeld, IWB Gruppe 1, Fach 3, S. 2293; Häuselmann, BB 2008, 20; Köhler/Haun, Ubg 2008, 73; Schmidt/Schwind, NWB Fach 2, S. 9713; Schönfeld, IStR 2008, 763; Sedemund, BB 2008, 696.
1. Allgemeines
Rz. 400
Entstehungsgeschichte im Überblick. In § 8 Abs. 2 war ursprünglich die Regelung zur sog. "Landes- und Funktionsholding" enthalten (vgl. dazu Anm. 601 ff.). Diese Regelung war mit Aufnahme von § 8 Abs. 1 Nr. 8 und 9 durch das Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz obsolet geworden und ist entsprechend für Wirtschaftsjahre beginnend mit dem 1.1.2001 außer Kraft getreten. Die Lücke zwischen § 8 Abs. 1 und Abs. 3 wurde anlässlich der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Cadbury Schweppes" gefüllt. Das hierzu ergangene BMF-Schreiben vom 8.1.2007 hatte bereits angekündigt, dass der vom EuGH geforderte (und durch das BMF-Schreiben für alle offenen Veranlagungszeiträume zugelassene) Gegenbeweis kodifiziert werden soll. Durch Jahressteuergesetz 2008 ist dies in § 8 Abs. 2 geschehen.
Rz. 401
Entwicklung bis zur Entscheidung des EuGH. Die Frage der EG-Rechtswidrigkeit der §§ 7–14 ist im Schrifttum etwa seit dem Ende des letzten Jahrhunderts vertieft diskutiert und zumeist bejaht worden. Gleiches gilt für die vergleichbaren Regelungskomplexe in den übrigen EG-Mitgliedstaaten. Obwohl zu den Kritikern von Anfang an nicht nur renommierte Vertreter aus Wissen- und Beraterschaft gehörten, sondern etwa mit Hahn und Wassermeyer auch Vertreter der Finanzverwaltung bzw. (höchstrichterlichen) Finanzrechtsprechung, sah sich der Gesetzgeber nicht veranlasst, den aufgezeigten Missstand abzustellen. In üblicher Attitüde verlegte man sich vielmehr darauf, nicht selbst die Initiative zu ergreifen, sondern eine Entscheidung des EuGH abzuwarten. In der ex-post-Betrachtung wird man einräumen müssen, dass diese Vorgehensweise vielleicht nicht einmal so unklug war, weil der EuGH zu Beginn seiner Rechtsprechung zu den direkten Steuern noch eine wesentlich restriktivere Position gegenüber typisierenden Missbrauchsvorschriften eingenommen hatte. Dieses Verständnis war erst im Zeitablauf, möglicherweise auch bedingt durch die Einsicht erheblicher fiskalischer Folgen, relativiert worden. Die nun vom EuGH eröffnete Möglichkeit, typisierende Missbrauchsvorschriften in die nationalen Steuerrechtsordnungen integrieren zu können, sofern dem Steuerpflichtigen nur die Möglichkeit eingeräumt wird, den typisierenden Missbrauchsvorwurf durch einen Gegenbeweis entkräften zu können, hätte vor 10 Jahren so vermutlich niemand erwartet. Andererseits haben sich die mitgliedstaatlichen Gesetzgeber durch ihre passive Haltung nicht nur die Option genommen, von dem ihnen verbliebenen legislativen Gestaltungsspielraum Gebrauch zu machen. Vielmehr wirft es ein schlechtes Licht auf die Vertragstreue insbesondere der Bundesrepublik als Mitgliedstaat der EG, wenn ein offensichtlicher Vertragsbruch bis zur (erwartungsgemäßen) Bestätigung durch den EuGH perpetuiert wird. Deutschland ist nicht nur Mitglied der EG geworden, sondern hat auch – mit Blick auf die Schaffung eines einheitlichen Europäischen Binnenmarkts – vertragliche Verpflichtungen gegenüber anderen Staaten übernommen. Zu diesen vertraglich übernommenen Pflichten gehört, dass alles unterlassen wird, was im Kern Protektionismus und Abschottung darstellt. Investitionen in andere EG-Mitgliedstaaten dürfen nicht behindert werden. Gerade dies tut aber die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung. Sie erschwert Investitionen in ausländischen Kapitalgesellschaften. Dies mag in vielen konkreten Fällen gerechtfertigte Missbrauchsbekämpfung sein. In mindestens ebenso vielen Fällen schießt jedoch die gesetzliche Regelung über das an sich gebotene Ziel weit hinaus. Das Kind wird in den §§ 7–14 gewissermaßen mit dem Bade ausgeschüttet. Es geht deshalb um die Grenzziehung zwischen berechtigter und notwendiger Missbrauchsbekämpfung einerseits und überschießendem Protektionismus andererseits.
Rz. 402
Entscheidung des EuGH in der Rechtssache "Cadbury Schweppes". Am 12.9.2006 hat der EuGH diese Grenze mit der Entscheidung in der Rechtssache "Cadbury Schweppes" gezogen. Dabei war es wenig überraschend, dass der Gerichtshof in den streitgegenständlichen britischen Controlled-Foreign-Companies-Regeln (CFC-Regeln) eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 43 EG erblickte. Überraschend dürfte für einige Vertreter im Schrifttum eher gewesen sein, dass der EuGH rein vermögensverwaltende Tätigkeiten wie die von Cadbury Schweppes Treasury International in den irischen IFSC relativ unproblematisch unter Art. 43 EG subsumierte. Dies hatte sich bei genauer Betrachtung aber bereits in der vorangegangenen Rechtsprechung des EuGH sowie in der mündlichen Verhandlung angedeutet. Wesentlich interessanter war deshalb die Feststell...