Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
1. Nahestehen aufgrund Zusammenwirkens durch abgestimmtes Verhalten (Satz 1)
(4) 1 Unbeschadet des Absatzes 3 gelten Personen als dem Steuerpflichtigen nahestehend, wenn sie mit ihm in Bezug auf die Zwischengesellschaft durch abgestimmtes Verhalten zusammenwirken. ...
Rz. 249
Funktion des § 7 Abs. 4 Satz 1. Das (vertikale) Nahestehen von Personen untereinander bzw. gegenüber dem Steuerpflichtigen i.S.d. § 7 Abs. 2 richtet sich gem. § 7 Abs. 3 Satz 1 im Grundsatz nach § 1 Abs. 2 (s. Rz. 239). Nach § 7 Abs. 4 Satz 1 gelten nachrangig auch Personen als dem Steuerpflichtigen (horizontal) nahestehend, wenn sie durch ein abgestimmtes Verhalten mit ihm zusammenwirken. Dabei ist nur das Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten entscheidend, soweit es in Bezug auf die Zwischengesellschaft erfolgt. Eine vergleichbare Vorschrift war in § 7 a.F. nicht enthalten. Zwar sah § 7 Abs. 4 a.F. vor, dass einem unbeschränkt Steuerpflichtigen im Rahmen der Hinzurechnungsbesteuerung bzw. der ehemals geltenden Inländerbeherrschungskonzeption auch Anteile oder Stimmrechte zuzurechnen sind, die eine an den Steuerpflichtigen mit Bezug zu Nennkapitalanteilen/Stimmrechten vollumfänglich weisungsgebundene Person hält. Die Sinnhaftigkeit dieser Regelung wurde angesichts des in seiner Wirkweise ähnlichen § 39 Abs. 2 Nr. AO zu Recht in Zweifel gezogen, § 7 Abs. 4 a.F. seit seiner Erstfassung v. 8.9.1972 gleichwohl nie angepasst. Die Neuregelung durch § 7 Abs. 4 i.d.F. ATADUmsG schlägt eine andere Richtung ein. Zwar geht es auch hierbei indirekt um eine Zurechnung von Anteilen oder Stimmrechten (sowie von Ansprüchen auf den Gewinn oder Liquidationserlös, vgl. § 7 Abs. 2) für Beherrschungszwecke (s. Rz. 171). Dies geschieht allerdings im Hinblick auf das Konzept der nahestehenden Person i.S.d. § 7 Abs. 2. Obwohl nahestehende Personen bzw. verbundene Unternehmen auch nach Art. 7 Abs. 1 UAbs. 1 Buchst. a i.V.m. Art. 2 Abs. 4 ATAD zu erfassen sind, soll es nach der sekundärrechtlichen Grundlage nicht auf ein "abgestimmtes Verhalten" oder ggf. "gleichgerichtete Interessen" ankommen. Der neugefasste § 7 Abs. 4 geht i.S.d. Art. 3 ATAD darüber hinaus und orientiert sich vielmehr an Aktionspunkt 3 des BEPS-Projekts der OECD/G20 (sog. "acting in concert", s. Rz. 256). Für die Gesellschafter bzw. Mitunternehmer einer Personengesellschaft/Mitunternehmerschaft wird dieses widerlegbar unterstellt (§ 7 Abs. 4 Satz 2, s. Rz. 265).
Rz. 250
Hintergrund. Mit § 7 Abs. 4 reagiert der Gesetzgeber erkennbar auf die Rspr. des EuGH in der Rs. X GmbH sowie die Folgeurteile des BFH. Da die (allgemeine) Inländerbeherrschung i.S.d. § 7 a.F. nicht allein Beherrschungsfälle aufgrund eines sicheren Einflusses mittels Direktinvestitionen, sondern auch Portfolioinvestitionen erfasse, entfalte die Kapitalverkehrsfreiheit ihren Schutz, der auch gegenüber Drittstaaten gelte. Unter der Voraussetzung eines hinreichenden Informationsaustauschs verstieß damit die auf EU/EWR-Staaten beschränkte Anwendung des Substanztests gem. § 8 Abs. 2 a.F. gegen europäisches Primärrecht. Offenbar damit diese Beurteilung nicht auch § 7 i.d.F. ATADUmsG trifft und die Unionsrechtskonformität des § 8 Abs. 3 in Zweifel zieht, wurde eine Ausdehnung des Beherrschungskriteriums i.S.d. § 7 Abs. 2 über § 7 Abs. 3 hinaus als notwendig erachtet (vgl. auch Vor §§ 7–14 AStG Rz. 85). Laut der Gesetzesbegründung soll ein Zusammenwirken durch abgestimmtes Verhalten des Steuerpflichtigen mit Dritten die Beherrschung eines ausländischen Unternehmens i.S.d. § 7 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 indizieren, wie sie ansonsten durch einen Mehrheitsgesellschafter oder eine Gruppe verbundener Unternehmen erfolgen würde. Maßstab sollen demnach Personen oder Personenvereinigungen sein, die einen sicheren Einfluss auf die ausländische Gesellschaft ausüben. In diesem Zusammenhang rezipiert der Gesetzgeber die Entscheidung des EuGH in der Rs. Columbus Container Services. Im Streitfall, bei dem die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung verhandelt wurde, waren ausschließlich Angehörige derselben Familie direkt und indirekt an einer in Belgien ansässigen Personengesellschaft beteiligt. Der EuGH erkannte in dieser Konstellation aus den folgenden Gründen einen sicheren Einfluss der Familie auf die Gesellschaft und in der Folge die Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit: Erstens gehörten alle Beteiligten derselben Familie an, zweitens verfolgten sie die gleichen Interessen und drittens wurde alle Angehörigen in der Gesellschafterversammlung von derselben Person vertreten. Der Gesetzgeber leitet aus dieser Rspr. ab, dass es nicht auf die im Streitfall nicht-qualifizierten und damit für § 7 unerheblichen Beteiligungen der einzelnen Gesellschafter ankommt, sondern auf deren Ausübung gleicher Interessen. Für die § 7 Abs. 3 ergänzende Neufassung des § 7 Abs. 4 wurde die "Wahrnehmung gleicher Interessen" in das "Zusammenwirkens durch abgestimmtes Verhalten" übersetzt mit dem Ziel, dass die allgemeine Hin...