Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
Rz. 472
Begriff. Als Finanzierungsgesellschaften sollen hier solche verstanden werden, die innerhalb eines Konzerns zur kosteneffizienten Finanzierung des Konzernverbunds gebündelt und zentral die Finanzierungsfunktion für die (operativen) Einheiten des Konzerns übernehmen. Dazu können z.B. die zentralisierte (externe) Fremdkapitalaufnahme und Fremdkapital-Weiterleitung innerhalb des Konzerns, das Cash Pooling, Factoring, Hedging (Sicherungsgeschäfte) oder die Stellung von Sicherheiten durch Bürgschaften, Patronatserklärungen u.s.w. zählen. Die gebündelte Finanzierungsfunktion muss nicht bei der Konzernmutter angesiedelt sein, sondern kann auch von sog. Konzernfinanzierungsgesellschaften ausgeübt werden. Tritt neben die Darlehensvergabe auch noch ein konzerninternes Liquiditäts-Management (Cash Management) durch Cash Pooling oder Factoring (Working Capital Management) spricht man von einem sog. Treasury Center.
Rz. 473
Wirtschaftstätigkeit. Bei Finanzierungsgesellschaften wird man das Vorliegen einer Wirtschaftstätigkeit, d.h. die Tatbestände des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 EStG genauer zu prüfen haben. Hinsichtlich des Aktivitätstests (Nr. 2 Halbs. 2 Var. 1) wird man zu beachten haben, dass sich die Gesellschaft nicht auf das rein passive Halten und Verwalten von Forderungen beschränkt (vgl. Rz. 265). Darüber hinaus wird die Gesellschaft den Substanztest (Nr. 2 Halbs. 2 Var. 3) zu bestehen haben, wobei dies aber stets am Maßstab der konkreten Finanzierungsfunktion (Geschäftszweck) zu erfolgen hat, was im Einzelfall keine besondere personelle und sachliche Ausstattung erfordern wird (vgl. Rz. 337). Von Bedeutung sein wird aber auch der Weiterleitungstest der Nr. 2 Halbs. 2 Var. 2. Hierbei werden mehrere Erwägungen zu berücksichtigen sein:
- Zunächst ist zu beachten, dass nur die Weiterleitung an (unmittelbar oder mittelbar) beteiligte bzw. begünstigte Personen erfasst ist; die Weiterleitung an andere konzernverbundene Personen ist damit nicht von Nr. 2 Halbs. 2 Var. 2 erfasst (vgl. Rz. 281).
- Nur die Weiterleitung von "Einkünften" der Finanzierungsgesellschaft stellt nach dem Wortlaut des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Halbs. 2 Var. 2 EStG keine Wirtschaftstätigkeit dar. Das bedeutet, dass die Aufnahme eines Darlehens (z.B. auf dem externen Kapitalmarkt) und die Weiterleitung dieses Darlehenskeine Weiterleitungvon "Einkünften" darstellt, d.h. ohne weiteres eine Wirtschaftstätigkeit sein kann. Wird das Darlehen von der operativen Konzerngesellschaft gegenüber der Konzernfinanzierungsgesellschaft getilgt und leitet die Konzernfinanzierungsgesellschaft die erhaltenen Beträge zur Tilgung des von ihr aufgenommenen Darlehens "weiter", so stellt dies insgesamt auch keine Weiterleitung von Einkünften dar: Allein die erhaltenen Zinsen, nicht aber der erhaltene Darlehensbetrag (Valuta) stellt eine Einkunft der Konzernfinanzierungsgesellschaft dar. Die Darlehensvaluta wird aber den Großteil der erhaltenen Beträge darstellen. In der Weiterleitung dieser Beträge kann daher weiterhin eine Wirtschaftstätigkeit liegen.
- Darüber hinaus fällt nach hier vertretener Auffassung in Anknüpfung an die EuGH-Rechtsprechung unter einer "Weiterleitung" nur eine solche, die auch die Nutzungsberechtigung an den erhaltenen Einkünften ausschließt (vgl. Rz. 284 f.). Das dürfte aber bei einer (aktiven) Konzernfinanzierungsgesellschaft nur sehr selten der Fall sein.
Rz. 474
Funktionaler Zusammenhang. Ist die Finanzierungstätigkeit der Körperschaft eine Wirtschaftstätigkeit, so ist für jede einzelne Einkunftsquelle, aus der abzugsteuerpflichtige Einkünfte erzielt werden, separat zu prüfen, ob sie wirtschaftlich-funktional Teil dieser Finanzierungstätigkeit sind oder völlig unabhängig davon gehalten werden (vgl. allgemein Rz. 392 ff.). Im letzteren Falle lägt kein wesentlicher Zusammenhang vor und würde damit die sachliche Entlastungsberechtigung fehlen.