Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Allgemeines
Rz. 211
Grundsätzliches. Die Zurechnung nach § 15 soll die Abschirmwirkung ausländischer Stiftungen durchbrechen und dadurch Steuervorteile ausgleichen, die der Gesetzgeber für unangemessen befindet (vgl. ausführlich zum Telos der Vorschrift Rz. 21). Eine Mehrbelastung des Steuerpflichtigen im Vergleich zu der Situation, in der die Stiftung nicht zwischengeschaltet wäre und der Steuerpflichtigen die fraglichen Einkünfte unmittelbar erzielte, ist dagegen nicht beabsichtigt. Daher war bereits im AStG 1972 – anders als noch in § 12 StAnpG und in § 2 StAmnVO – über den Verweis in Abs. 5 Satz 1 a.F. auf § 12 die Anrechnung der zu Lasten der Stiftung erhobenen in- und ausländischen Steuern auf die ESt oder KSt des Zurechnungsadressaten (sog. indirekte Steueranrechnung) eröffnet. Der Abzug des Steuerbetrags von den zuzurechnenden Einkünften (bis 2012: vom zuzurechnenden Einkommen) entsprechend § 10 Abs. 1 Satz 1 a.F. war nicht zugelassen. Seit dem ATAD-UmsG ist diese Steueranrechnung statt eines Verweises auf § 12 unmittelbar in Abs. 5 Satz 1 und 2 geregelt. Eine Änderung der Rechtslage ist damit nur insoweit verbunden, als die Anrechnung auf "Steuern vom Einkommen" der Stiftung begrenzt ist, während über den Verweis in § 12 Abs. 1 a.F. bisher auch ausländische VSt anrechenbar waren (vgl. Rz. 241).
Rz. 212– 215
frei
2. Ab VZ 2022: Anrechnung der zu Lasten der ausländischen Stiftung auf die zuzurechnenden Einkünfte erhobenen Steuern
„(5) [1] Auf die Einkommen- oder Körperschaftsteuer des Stifters oder der bezugs- oder anfallsberechtigten Person ...”
Rz. 216
Unklarheiten des Regelungskonzepts. Der Gesetzgeber begründet die geänderte Regelungstechnik mit der veränderten Anrechnungsmethodik des § 12. Dies trifft zwar insoweit zu, als die Anrechnung der Steuer auf die Zwischeneinkünfte bis zum ATAD-UmsG nur auf Antrag erfolgte (§ 12 Abs. 1 a.F.), während der Abzug der Steuer vom Hinzurechnungsbetrag (§ 10 Abs. 1 Satz 1 a.F.) den gesetzlichen Regelfall bildete. Es erklärt aber nicht, warum der Gesetzgeber des ATAD-UmsG just in dem Moment Bedarf für eine eigenständige Regelung der Steueranrechnung in § 15 sieht, als er die Rechtslagen dadurch einander angleicht, dass er bei der Hinzurechnungsbesteuerung die Alternative des Steuerabzugs vom Hinzurechnungsbetrag abschafft. Tatsächlich hätte daher ein Verweis auf § 12 Abs. 1 Satz 1 n.F. und § 12 Abs. 3 n.F. die gleichen Rechtsfolgen erzielt wie die aktuelle Gesetzesfassung des Abs. 5. Schließlich hat der Gesetzgeber nun schon zum wiederholten Maße die Chance verpasst, für Stringenz innerhalb des Regelungsgefüges zu sorgen. Es ist nicht verständlich, warum er die bisher über Abs. 5 a.F. i.V.m. § 12 Abs. 3 a.F. geregelte Anrechnung von auf die steuerfreie Zuwendung der Stiftung erhobene Steuern systemkonform in Abs. 11 Satz 2 verlegt hat, die Anrechnung von zu Lasten der Stiftung erhobene Steuern aber in Abs. 5 beließ. Dort sind sie innerhalb des § 15 deplatziert (vgl. zur Kritik an § 15 unter systematischen Gesichtspunkten Rz. 33): Systematisch gehören diese Vorschriften zu, ggf. sogar hinter die Bestimmungen zur Ermittlung der Einkünfte beim Steuerpflichtigen (Abs. 8 bis 10). Außerdem ist die Friktion vertieft worden, dass Abs. 1 als Grundnorm nach wie vor die Zurechnung von Vermögen anordnet, die weiteren Absätze von § 15 aber nur die Einkünftezurechnung näher ausformen.
Rz. 217
Einkommen- oder Körperschaftsteuer. Der Regelfall bildet die Anrechnung auf die deutsche ESt des Stifters oder der anderen in Abs. 1, 2 bezeichneten Personen (§ 32d EStG). Nach der hier vertretenen Auffassung, wonach bei Familienstiftungen i.S.v. Abs. 2 nur die dort bezeichneten Personen auch Zurechnungsadressaten sein können (vgl. Rz. 137), scheiden körperschaftsteuerpflichtige Bezugs- oder Anfallsberechtigte insoweit aus. Indessen kommen bei Stiftungen nach Abs. 3 sowohl körperschaftsteuerpflichtige Stifter als auch solche Bezugs- oder Anfallsberechtigte ("abhängige Gesellschaft", vgl. Rz. 184) in Betracht.
Rz. 218
Einkommen- oder Körperschaftsteuer auf zuzurechnende Einkünfte. § 12 Abs. 1 a.F./n.F. konkretisieren die ESt oder KSt dahingehend, dass diese auf den "Hinzurechnungsbetrag entfällt ...". Eine vergleichbare Eingrenzung findet sich in Abs. 5 Satz 1 nicht ausdrücklich. Der Wortsinn setzt nicht explizit voraus, dass die ESt oder KSt auf die der Zurechnung unterliegenden Einkünfte erhoben wird. Dennoch erscheint dieser Unterschied nicht geeignet, einen Umkehrschluss zu tragen. Nach dem systematischen Zusammenhang sowie Sinn und Zweck der Vorschrift erscheint es richtiger, eine entsprechende Bedingung auch in Abs. 5 Satz 1 zu erkennen. Damit scheidet eine Anrechnung insoweit aus, als die zuzurechnenden Einkünfte der Stiftung nach deutschem Steuerrecht z.B. nach DBA, steuerfrei sind (zur Anwendung des DBA bei der Einkünfteermittlung der Familienstiftung vgl. R...