1. Unionsrecht
Rz. 21
Grundfreiheiten des AEUV. Die Regelung des § 50j EStG verstößt grundsätzlich nicht gegen eine der Grundfreiheiten des AEUV. Bei den von § 50j EStG betroffenen Beteiligungen an inländischen Gesellschaften verbieten die Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV bzw. die Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV die steuerliche Benachteiligung bestimmter im EU-Ausland bzw. in Drittstaaten ansässiger Investoren. Zwar sind die Vorschriften zu den zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen für inländische Investoren teilweise weniger restriktiv. So enthält die in erster Linie für inländische Steuerpflichtige geltende Regelung des § 36a EStG (s. Rz. 11) beispielsweise in ihrem Abs. 5 Nr. 1 eine betragsmäßige Ausnahme für Kapitalerträge (bis zu 20.000 Euro), die in der nur für ausländische Steuerpflichtige geltenden Regelung des § 50j EStG (s. Rz. 54) nicht vorgesehen ist. Allerdings führt diese Ungleichbehandlung im Ergebnis in aller Regel nicht zu einer steuerlichen Benachteiligung von Steuerpflichtigen, die im Ausland ansässig sind, gegenüber den im Inland ansässigen Steuerpflichtigen. Denn selbst bei Versagen einer DBA-Entlastung nach § 50j EStG verbleibt die Belastung mit Körperschaftsteuer für Streubesitzdividenden bei jeweils 15 % (§ 23 Abs. 1 KStG bzw. § 44a Abs. 9 EStG, s. Rz. 50 und 75) und für Konzerndividenden bei grundsätzlich jeweils 0 % (§ 8b Abs. 1 Satz 1 KStG bzw. § 43b EStG, s. Rz. 49 und 76). Ebenso ist die Belastung mit Einkommensteuer selbst bei Versagen einer DBA-Entlastung auf der Grundlage von § 50j EStG wegen der grundsätzlichen Abgeltungswirkung der Kapitalertragsteuer für inländische Steuerpflichtige (§ 32d EStG) mit derjenigen ausländischer Steuerpflichtiger übereinstimmend. Soweit für inländische Steuerpflichtige im Fall der Günstigerprüfung (§ 32d Abs. 6 EStG) oder der Zurechnung zu anderen Einkunftsarten (§ 32d Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 20 Abs. 8 EStG) der normale Einkommensteuertarif des § 32a EStG anzuwenden ist, kann allein bei einem zu versteuernden Einkommen im unteren Progressionsbereich des Steuersatzes – der Ausschluss beschränkt Steuerpflichtiger vom Grundfreibetrag des § 32a Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 EStG steht mit den Grundfreiheiten prinzipiell in Einklang – in wohl seltenen Einzelfällen ein Vorteil gegenüber vergleichbaren ausländischen Investoren bestehen. Eine daraus resultierende Beschränkung der Niederlassungsfreiheit des Art. 49 AEUV bzw. der Kapitalverkehrsfreiheit des Art. 63 AEUV wäre daraufhin zu überprüfen, ob ein Rechtfertigungsgrund für die unterschiedliche Behandlung bestünde.
Rz. 22
Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV. Da das Beihilfeverbot des Art. 107 AEUV grundsätzlich auf jegliche steuerliche Ungleichbehandlungen von Unternehmen anwendbar ist, muss es auch im Rahmen des § 50j EStG beachtet werden. Denn aufgrund des eingeschränkten Anwendungsbereichs des § 50j EStG (s. Rz. 25) sind bestimmte Unternehmen von seinen zusätzlichen Entlastungsvoraussetzungen nicht betroffen. Die daraus für bestimmte Unternehmen entstehenden Vorteile, aus denen wettbewerbsverzerrende Wirkungen innerhalb der EU im Sinne des Art. 107 Abs. 1 AEUV resultieren können, sind jedoch nicht selektiv im Sinne der Rechtsprechung des EuGH. Denn dafür müsste die Ungleichbehandlung im Hinblick auf das mit der Regelung verfolgte Ziel objektiv vergleichbare Situationen betreffen. Die Ausnahmen vom Anwendungsbereich der Regelung (s. Rz. 25 ff.) sind jedoch im Hinblick auf ihr Ziel der Verhinderung von "Cum/Cum-Treaty-Shopping" zu erklären (s. Rz. 8 ff.). Daher befinden sich die bevorzugten Unternehmen nicht in einer Situation, die mit der Situation derjenigen Unternehmen, die vom Anwendungsbereich des § 50j EStG erfasst werden, vergleichbar ist.
2. Grundgesetz
Rz. 23
Kein Verstoß gegen Grundrechte. Ein Verstoß der Regelung des § 50j EStG gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 GG oder gegen andere Grundrechte ist nicht zu erkennen. Insbesondere ist die Regelung im Hinblick auf das mit ihr verfolgte Ziel (s. Rz. 8 ff.) nicht als unverhältnismäßig anzusehen.