Prof. Dr. Vassil Tcherveniachki
1. Grundregel bei importierter Besteuerungsinkongruenz (Satz 1)
"Soweit nicht bereits die Voraussetzungen für die Versagung des Betriebsausgabenabzugs nach den vorstehenden Absätzen vorliegen, sind Aufwendungen auch insoweit nicht als Betriebsausgaben abziehbar, als den aus diesen Aufwendungen unmittelbar oder mittelbar resultierenden Erträgen Aufwendungen gegenüberstehen, deren Abzug beim Gläubiger, einem weiteren Gläubiger oder einer anderen Person bei entsprechender Anwendung dieses Absatzes oder der Absätze 1 bis 4 versagt würde."
Rz. 84
Allgemeines. § 4k Abs. 5 EStG setzt Art. 9 Abs. 3 ATAD um. Es handelt sich um eine Auffangvorschrift zu allen vorangehenden Absätzen, welche nur dann zur Anwendung kommt, soweit sich nicht bereits aus den § 4k Abs. 1 bis 4 EStG eine Abzugseinschränkung ergibt. Es soll sichergestellt werden, dass sich die Rechtsfolge des § 4k Abs. 1 bis 4 EStG nicht durch sog. Back-to-back-Finanzierungen mit Gesellschaften, die in Staaten ohne Anti-Hybrid-Regelungen ansässig sind, umgehen lässt. Damit sanktioniert Deutschland im Kern die im Ausland ausgebliebene Nichtbeseitigung von Besteuerungsinkongruenzen. Hierbei spricht die Gesetzesbegründung von sog. "importierten Besteuerungsinkongruenzen". Diese liegen vor, wenn eine Besteuerungsinkongruenz, die zwischen zwei ausländischen Staaten eingetreten und von diesen nicht beseitigt worden ist, ganz oder teilweise auf Grundlage von weiteren schuldrechtlichen Vereinbarungen ins Inland verlagert wird. Da die ATAD in allen EU-Mitgliedstaaten umzusetzen ist, sollte es sich hauptsächlich um Besteuerungsinkongruenzen zwischen Drittstaaten handeln. Erfasst wird jede beliebige Besteuerungsinkongruenz i.S.d. § 4k Abs. 1 bis 4 EStG; Gegenstand der Regelung sind damit sowohl D/NI-Inkongruenzen als auch DD-Inkongruenzen. Damit geht § 4k Abs. 5 EStG unilateral über die ATAD-Vorgaben gemäß Art. 9 Abs. 3 ATAD, der auf DD-Inkongruenzen beschränkt ist, hinaus.
Rz. 85
Tatbestandsvoraussetzungen. § 4k Abs. 5 Satz 1 EStG regelt ein Abzugsverbot bei sog. importierten Besteuerungsinkongruenzen. Da diese Regelung lediglich einen Auffangscharkater hat, decken sich die Tatbestandsmerkmale, insbesondere der Begriff der Aufwendungen mit den Tatbestandsvoraussetzungen in den vorstehenden Absätzen. Mit dem Verweis auf "weitere Gläubiger" sollen insbesondere Zahlungsketten – wie im nachfolgenden Beispiel veranschaulicht wird – erfasst werden. Soweit auf die Besteuerung bei einer "anderen Person" abgestellt wird, handelt es sich um Konstellationen einer Gruppenbesteuerung oder der Zwischenschaltung von transparenten Rechtsträgern in der Zahlungskette. Erfasst werden Aufwendungen jeglicher Art, die auf Grundlage schuldrechtlicher Beziehungen entstehen (z.B. Zinsen, Lizenzgebühren, Mieten, Dienstleistungsvergütungen). Die Anwendung des § 4k Abs. 5 Satz 1 EStG setzt voraus, dass eine relevante Besteuerungsinkongruenz vorliegt. Im Gesetzgebungsverfahren wurde die ursprünglich geplante Fassung des § 4k Abs. 5 EStG, wonach in diesem Zusammenhang auf eine hypothetische inländische Steuerpflicht des Gläubigers, einem weiteren Gläubiger oder einer anderen Person abzustellen war, angepasst. Maßgeblich ist das Vorliegen einer Besteuerungsinkongruenz i.S.d. § 4k Abs. 1 bis 5 EStG, welche bei entsprechender Anwendung dieser Regelungen dem Abzugsverbot im Inland unterliegen würde. Die hypothetische Prüfung des § 4k EStG umfasst auch die mögliche Anwendung von Ausnahmeregelungen, wie z.B. § 4k Abs. 2 Satz 3 EStG und § 4k Abs. 4 Sätze 3 und 4 EStG. Ferner soll durch diese Regelung insbesondere verhindert werden, dass die Vorschrift in Konstellationen, in denen eine im Ausland bestehende Rechtsbeziehung zu einer Besteuerungsinkongruenz führt, die sich nach deutschem Recht nach einer anderen Norm als § 4k EStG ergeben würde (z.B. Behandlung von Vergütungen eines hybriden Finanzinstruments als Gewinnausschüttungen gemäß § 8 Abs. 3 Satz KStG), ins Leere läuft. Damit sind andere Vorschriften, die ebenfalls den Betriebsausgabenabzug einschränken (z.B. § 4h EStG oder § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG) im Rahmen der hypothetischen Prüfung des § 4k EStG nicht zu berücksichtigen. Das Abzugsverbot nach § 4k Abs. 5 EStG setzt ferner eine Verkettung zwischen den Aufwendungen des Steuerpflichtigen und den unmittelbar oder mittelbar zu einer Besteuerungsinkongruenz führenden Aufwendungen voraus. Nach Maßgabe der Empfehlung 8.1 des OECD/G20-Berichts 2015 zu BEPS-Aktionspunkt 2 reicht hierfür die unmittelbare oder mittelbare Verrechnung der Aufwendungen mit den unmittelbaren oder mittelbaren Erträgen aus der Transaktion des Steuerpflichtigen aus. Damit muss eine betragsmäßige Verkettung zwischen Aufwendungen und Erträgen gegeben sein. Insoweit beschränkt sich das Abzugsverbot auf den importierten hybriden Effekt. Ausweislich des Wortlauts "insoweit" wird das Abzugsverbot nach § 4k Abs. 5 Satz 1 EStG auf die Höhe der hybriden Aufwendungen (d.h. auf die Höhe des D/NI- bzw. DD-Ergeb...