Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Allgemeines
Rz. 461
Systematische Einordnung und allgemeiner Norminhalt. Abs. 10 erweitert die Stiftungseinkünfte, welche der Zurechnung nach Abs. 1 unterliegen, um die Einkünfte bestimmter ausländischer Stiftungen. Die Vorschrift ist daher Abs. 9 vergleichbar, und nutzt auch eine vergleichbare Regelungstechnik, in dem diese Einkünfte anderer ausländischer Stiftungen zunächst der ausländischen Familienstiftung und in einem sich anschließenden logischen zweiten Schritt dem inländischen Zurechnungsadressaten zugerechnet werden.
Rz. 462
Zweck. Markant ist der Unterschied zwischen Abs. 9 und Abs. 10 in Bezug auf den jeweiligen Normtelos. Abs. 9 ist darauf ausgerichtet, eine Umgehung der Hinzurechnungsbesteuerung zu vermeiden (Rz. 402). Demgegenüber zielt Abs. 10 ausweislich der Gesetzesbegründung zum JStG 2013 darauf ab, eine Umgehung der Zurechnungsbesteuerung nach § 15 durch Verlagerung von Einkünften auf andere ausländische Stiftungen zu verhindern. Dies gilt es bei der Auslegung der Norm zu beachten.
Rz. 463
Vergleich mit Rechtslage vor AmtshilfeRLUmsG. Die Ergänzung von § 15 um Abs. 10 bedeutet eine erhebliche Verschärfung der Rechtslage. Zuvor war eine solche "Doppelstiftungsstruktur" vielfach die einzige Möglichkeit, Begünstigte anglo-amerikanischer Truststrukturen, welche nach Deutschland zuziehen wollen, vor der überschießenden und teilweise konfiskatorischen Wirkung des § 15 zu bewahren. In Verbindung mit der vom FG Düsseldorf vertretenen Auffassung, dass der Informationsaustausch mit Liechtenstein nicht den Anforderungen des Abs. 6 Nr. 2 genügt (vgl. Rz. 288), wird es früher oder später zu einer höchstrichterlichen Klärung der Verfassungsmäßigkeit von § 15 in diesen Zuzugsfällen kommen (vgl. zur höchst problematischen Anwendung von § 15 in diesen Fällen Rz. 32; zur Vereinbarkeit mit dem GG vgl. Rz. 66).
Rz. 464– 465
frei
2. Voraussetzung und Methodik der Zurechnung (Satz 1)
„(10) 1 Einer ausländischen Familienstiftung werden ..., entsprechend ihrem Anteil zugerechnet, ...”
Rz. 466
Zurechnungssubjekt. Subjekt der Zurechnung ist die ausländische Familienstiftung. Wer dazu zählt, bestimmt § 15 Abs. 1–4. Das weitere Schicksal der auf diese Weise zugerechneten Vermögenswerte und Einkünfte bestimmt sich nach den für die Zurechnung der Stiftungseinkünfte zum inländischen Zurechnungsadressaten maßgeblichen Normen (§ 15 Abs. 1, 5 ff.). Dies ist, ähnlich wie bei der Zurechnung gem. Abs. 9, von besonderer Bedeutung für die Zurechnung von Einkünften zu einer ausländischen Familienstiftung, welche in den Anwendungsbereich des EU/EWR-Privilegs nach Abs. 6 fällt. In diesen Konstellationen findet zwar eine Zurechnung nach Abs. 10 zur ausländischen Familienstiftung statt, nicht aber eine weitere Zurechnung zum inländischen Zurechnungsadressaten (vgl. Rz. 422).
Rz. 467
Anteil. Die Bestimmung des Anteils des Zurechnungsadressaten auf der Rechtsfolgenseite ist eines der zentralen Probleme des § 15 Abs. 1 (vgl. Rz. 143 ff.). Der Gesetzgeber hat dennoch nicht davon Abstand genommen, diesen problematischen Begriff erneut zu verwenden. Eine gewisse Erleichterung tritt dadurch ein, dass in Abs. 10 die vorrangige Zurechnung zum Stifter fehlt. Der Familienstiftung werden somit die Einkünfte der anderen Stiftung nicht bereits deshalb in vollem Umfang zugerechnet, weil sie sie errichtet hat. Auch kann das Sonderproblem der Anteilsbestimmung bei einer Mehrheit von Stiftern (Rz. 120 bis 123) hier nicht auftreten. Auf die zu Abs. 1 angestellten Überlegungen zur Bestimmung des Anteils wird verwiesen (vgl. Rz. 143 ff.; zur Anfalls- und Bezugsberechtigung vgl. Rz. 127 ff., 138). Der Begriff des Anteils kann dann eine Einschränkung verlangen, wenn die andere ausländische Stiftung bereits selbst eine ausländische Familienstiftung i.S.v. Abs. 1 und 2 (oder als eine dieser nach Abs. 3 oder 4 gleichgestellte Stiftung) ist. Andernfalls droht eine Doppelerfassung ihrer Einkünfte bei diesem ihrem Stifter gem. § 15 Abs. 1 sowie über Abs. 10 bei dem Zurechnungsadressaten der ausländischen Familienstiftung.
Rz. 468
Wesen der Zurechnung. Das Gesetz regelt die Zurechnung von Einkünften und Vermögen nur rudimentär (zur Vermögenszurechnung Rz. 471). Ohne ausdrückliche Regelung ge...