Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer, Dipl.-Kfm. Jens Schönfeld
1. Allgemeines
Rz. 491
Allgemeiner Inhalt. Abs. 11 nimmt Zuwendungen der Stiftung an die "Personen im Sinne des Abs. 1" von der Besteuerung aus. Die Vorschrift dient der Vermeidung einer doppelten Steuerbelastung. Insoweit, als Einkünfte der Stiftung nach § 15 bereits zugerechnet wurden, soll die Auskehrung entsprechender Beträge an die Berechtigten nicht noch einmal der ESt (§ 20 Abs. 1 Nr. 9 Satz 2 EStG) unterliegen. Damit kodifiziert Abs. 11 die bereits vor dem AmtshilfeRLUmsG bestehende Finanzamtspraxis. Die Vorschrift bildet die Parallelnorm zu § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG a.F. Eine Anpassung an den Systemwechsel bei der Hinzurechnungsbesteuerung, bei der seit ATAD-UmsG Ausschüttungen gem. § 11 die Hinzurechnungsbeträge mindern (vgl. Rz. 11, 426, 441), hat der Gesetzgeber nicht vorgenommen. Die unterschiedliche Stellung von § 3 Nr. 41 EStG a.F. und § 15 Abs. 11 innerhalb der Rechtsordnung ist nicht etwa dadurch begründet, dass Abs. 11 auch in der ErbSt anwendbar wäre (vgl. Rz. 499). Der Grund ist vielmehr darin zu suchen, dass § 3 Nr. 41 EStG a.F. eine sachliche Steuerbefreiung normiert ("Steuerfrei sind ..."), während die Zuwendungen der Stiftung bereits nicht steuerbar sind ("[...] unterliegen nicht der Besteuerung [...]"), also kraft gesetzlicher Anwendung außerhalb des Einkünftekatalogs anzusiedeln sind. Dennoch können gewisse zu § 3 Nr. 41 EStG a.F. gewonnene Erkenntnisse im Rahmen der Auslegung des Abs. 11 herangezogen werden.
Rz. 492– 495
frei
2. Steuerfreiheit von Zuwendungen (Satz 1)
„(11) 1 Zuwendungen der ausländischen Familienstiftung unterliegen bei Personen im Sinne des Absatzes 1 nicht der Besteuerung, ...”
Rz. 496
Zuwendungen. Da Abs. 11 nur für die Besteuerung des Einkommens der Destinatäre Anwendung findet (vgl. zu den erfassten Steuerarten näher Rz. 499), erscheint die Verwendung des Begriffs "Zuwendung" unglücklich. Im Einkommensteuerrecht findet sich der Begriff z.B. in § 4 c, § 4 d, § 10 b, § 12 Nr. 2, § 19 Abs. 1, § 34 g EStG, mithin in deutlich anderem Kontext als demjenigen, in welchem Abs. 11 steht. Nach dem Normtelos (vgl. dazu Rz. 491) hätte es nähergelegen, sich an der Begrifflichkeit des § 20 Abs. 1 Nr. 9 EStG auszurichten, der von "Leistungen" spricht. In Zweifelsfällen wird man die Auslegung des Zuwendungsbegriffs des Abs. 11 daran zu orientieren haben. Eine Abfindung, die ein Begünstigter von anderen als Gegenleistung dafür erhält, dass er auf seine Rechtsposition gegenüber der Stiftung verzichtet, bildet keine Zuwendung der Stiftung. Insoweit, als die Abfindung Beträge abgilt, die bereits der Zurechnung unterlagen, kommt zur Vermeidung einer Überbesteuerung eine analoge Anwendung von Abs. 11 auf den (anteiligen) Veräußerungserlös in Betracht.
Rz. 497
Ausländische Familienstiftung. Aus der Verwendung des bestimmten Artikels ("der ausländischen Familienstiftung") statt des unbestimmten Artikels ("einer ausländischen Familienstiftung") könnte abgeleitet werden, dass die Stiftung, welche die Einkünfte erzielt hat, mit derjenigen identisch sein muss, welche die Leistungen erbringt. Diese Frage kann sich bei der Zusammenlegung von Stiftungen stellen. Ein Identitätserfordernis würde die Anwendung von Abs. 11 vom ausländischen Stiftungszivilrecht abhängig machen. Das Potenzial steuerfreier Zuwendungen bliebe dann erhalten, wenn Stiftungen identitätswahrend zusammengelegt werden können; andernfalls ginge es unter. Ein sachlicher Grund für eine solche steuerrechtliche Differenzierung in Anlehnung an das ausländische Zivilrecht ist nicht ersichtlich, sodass eine rechtliche Identität der leistenden Stiftung mit derjenigen, welche die zugerechneten Einkünfte erzielt hat, nicht Voraussetzung für die Anwendung von Abs. 11 ist. Ein weiteres Auslegungsproblem stellt sich, falls die Stiftung zwischen dem – ggf. lange in der Vergangenheit liegenden (vgl. Rz. 507) – Zeitpunkt der Zurechnung und der Zuwendung ihre Geschäftsleitung in das Inland verlegt hat. Es handelt sich dann zwar noch um die nämliche Stiftung, jedoch nicht mehr um eine ausländische Familienstiftung (nach den Kriterien des Abs. 1), sodass bei wortsinngetreuer Anwendung die Steuerfreiheit zu versagen wäre. Dies würde aber offensichtlich das Ziel der Vorschrift verfehlen. Denn die Einkünfte der Stiftung haben ja unabhängig vom Ort der Geschäftsleitung bereits der inländischen Besteuerung unterlegen. Es dürfte insoweit eine planwidrige Lücke vorliegen, die durch eine teleologische Reduktion ...