Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
a) Funktionen von Verrechnungspreisen
Rz. 16
Zweckorientierte Bewertung von Lieferungen und Leistungen. Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind unter Verrechnungspreisen Wertansätze für Güter und Dienstleistungen zu verstehen, die innerhalb einer Unternehmung oder eines Unternehmensverbundes ausgetauscht werden. Im Gegensatz zu Marktpreisen entstehen Verrechnungspreise nicht durch das freie Spiel von Angebot und Nachfrage zwischen unabhängigen Vertragsparteien, die ihren jeweiligen Nutzen maximieren, sondern sind Ergebnis einer zweckorientierten Bewertung von Lieferungen und Leistungen zwischen verbundenen Unternehmenseinheiten.
Rz. 16.1
Funktionen von Verrechnungspreisen. Verrechnungspreise erfüllen innerhalb von Teilbereichen eines Organisationsverbunds unterschiedliche Funktionen und können deshalb entsprechend der jeweiligen Funktion eine unterschiedliche Gestalt aufweisen. Die folgenden Funktionen werden Verrechnungspreisen zugeordnet:
- die Vereinfachung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung (Vereinfachungsfunktion),
- die Wirtschaftlichkeitskontrolle von Kostenstellen (Kontrollfunktion),
- die organisatorische Lenkung zur Koordination dezentraler Entscheidungen in Teilbereichen der Unternehmung (organisatorische Lenkungsfunktion),
- die getrennte Erfolgsermittlung für die autonomen Teilbereiche der Unternehmung (Erfolgsermittlungsfunktion).
Die vier genannten Funktionen lassen sich nicht trennscharf voneinander abgrenzen, sondern überschneiden sich teilweise. Insbesondere besteht ein Zusammenhang zwischen der organisatorischen Lenkungs- oder Koordinationsfunktion und der Erfolgsermittlungsfunktion, da z.B. Entscheidungen in Untereinheiten nicht zuletzt von den antizipierten Auswirkungen auf die Vergütung der entsprechenden Entscheidungsträger abhängen, die häufig an realisierte Erfolgsgrößen anknüpft.
Rz. 16.2
Vereinfachungsfunktion. Mit der Verwendung von Verrechnungspreisen, die einheitlich über eine gewisse Periode angesetzt werden, können Schwankungen ausgeglichen werden, die sowohl beim Ansatz von Marktpreisen als auch – aus zeitlichen, markt-, mengen-, losgrößen- oder beschäftigungsabhängigen Gründen – beim Ansatz von Herstellungskosten auftreten können. Der Ansatz von Standardsätzen führt dann zu mehr Transparenz sowie zu einer Beschleunigung und Vereinfachung der innerbetrieblichen Leistungsverrechnung.
Rz. 16.3
Kontrollfunktion. Durch den Ansatz im Vorhinein festgelegter Verrechnungspreise bei der Plankostenrechnung und der späteren Kostenkontrolle können Preisunterschiede auf der Beschaffungsseite neutralisiert werden. Spätere Soll-Ist-Abweichungen können dann ausschließlich auf Mengenabweichungen zurückgeführt werden.
Rz. 16.4
Lenkungs- oder Koordinationsfunktion. In Unternehmen bzw. Unternehmensverbünden, in denen die Wertschöpfungskette dadurch geprägt ist, dass durch unterschiedliche autonome Teilbereiche (Profit-Center, Investment-Center) bzw. Gesellschaften Leistungsbeiträge erbracht werden, kommt der Lenkungsfunktion von Verrechnungspreisen eine hohe Bedeutung zu. Da im Gegensatz zu einer kleinen, wirtschaftlich unabhängigen Unternehmung die Aufgabenerfüllung arbeitsteilig organisiert ist und einzelne Entscheidungsträger häufig nur über Teilbereiche der Organisation hinreichende Informationen haben, entsteht ein Abstimmungs- und Koordinationsbedarf. Grundsätzlich kann die Koordination zentral oder dezentral erfolgen. Allerdings erfordert eine vollständig zentrale Koordination, dass alle für die zu treffenden Entscheidungen notwendigen Informationen beim verantwortlichen Entscheidungsträger zentral verfügbar sind. Demgegenüber hat eine dezentrale Koordination und Entscheidungsfindung den Vorteil, dass eine solche Informationsbündelung bei der Konzernzentrale nicht notwendig ist. Ab einer gewissen Konzerngröße wird deshalb die Delegation von Entscheidungsbefugnissen unumgänglich, weil die zentrale Informationsbereitstellung und die anschließende zentrale Verarbeitung in Entscheidungen nur durch Inkaufnahme unangemessen hoher Kosten zu erreichen ist. Im Rahmen einer dezentralen Koordination und Steuerung können Verrechnungspreise als Koordinationsinstrument eingesetzt werden, um eine zentrale Konzernsteuerung zu ersetzen. Verrechnungspreise führen dann zu einer Bereichskoordinierung, indem durch die Fiktion eines internen Markts für die einzelnen Leistungen der verschiedenen Teilbereiche die entscheidungsrelevanten Informationen abstrakt zu Preisen verdichtet zur Verfügung gestellt werden. Als Folge nehmen Konzerngesellschaften am Leistungsaustausch nur noch so lange teil, wie sie sich dadurch besserstellen. Zur optimalen Ressourcenallokation sind keine vollständigen Informationen über die Auswirkungen beim jeweils anderen "Geschäftspartner" (bzw. der verbleibenden Wertschöpfungskette) mehr erforderlich, sondern dies ergibt sich durch die jeweilige Optimierung in den einzelnen Teilbereichen. Durch die sachgerechte...