Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 152
Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters. Unumstritten ist, dass einem tatsächlichen Fremdvergleich grundsätzlich Vorrang vor anderen Vergleichsverfahren einzuräumen ist. Ein tatsächlicher Fremdvergleich erweist sich allerdings immer dann als nicht durchführbar, wenn es an einer effektiven Vergleichsmöglichkeit am Markt zwischen unabhängigen Vertragspartnern fehlt. In diesem Fall besteht die Notwendigkeit, die Verrechnungspreisermittlung auf Basis eines hypothetischen Fremdvergleichs durchzuführen. Dem hypothetischen Fremdvergleich, dessen Ursprung in der Rspr. des BFH zur vGA liegt und durch den Gesetzgeber im Rahmen des UntStRefG 2008 in § 1 übernommen wurde, liegt die sog. "Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters" zu Grunde. Danach ist ein Verrechnungspreis als angemessen anzusehen, wenn er für eine bestimmte Lieferungs- oder Leistungsbeziehung auch zwischen zwei ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleitern vereinbart worden wäre. Der Verrechnungspreisermittlung wird damit das Normverhalten zweier ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsleiter zu Grunde gelegt. Die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters erfährt dadurch als objektivierender Bezugspunkt eine eigenständige Bedeutung, was letzten Endes auf eine Angemessenheitsprüfung nach betriebswirtschaftlichen Kriterien hinausläuft.
Rz. 153
Einigungsbereich. Auch im Rahmen des hypothetischen Fremdvergleichs ist eine Bandbreitenbetrachtung in Form der Ermittlung eines sog. Einigungsbereichs durchzuführen. Der Einigungsbereich findet seine Untergrenze in dem Mindestpreis des liefernden oder leistenden Unternehmens und dem Höchstpreis des Lieferungs- oder Leistungsempfängers. Demnach müssen zur Bestimmung des Einigungsbereichs im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs die individuellen Preisgrenzen sowohl des leistenden als auch des empfangenden Unternehmens ermittelt werden. Zu der Frage, wie ein derart ermittelter Einigungsbereich zwischen den Vertragsparteien aufzuteilen ist, ordnet § 1 Abs. 3a Satz 6 an, dass der Mittelwert des Einigungsbereichs zugrunde zu legen ist, wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhaft macht, dass ein anderer Wert innerhalb des Einigungsbereichs dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Eine solche hälftige Aufteilung des Einigungsbereichs ergibt sich auch aus den sog. Zinsurteilen des BFH sowie aus der Rspr. zur Aufteilung von Standortvorteilen bei einem Lohnfertiger.