Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 771
Allgemeines. Grundvoraussetzung für die Anerkennung eines betrieblichen Kostenrechnungssystems ist die Existenz einer Kostenarten-, Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung.
Rz. 772
Kostenartenrechnung. Unter der Kostenartenrechnung versteht man den Teilbereich der Kostenrechnung, der zur mengenmäßigen Erfassung, Abgrenzung und Bewertung anfallender Kosten dient und gleichzeitig die Grundlage für die Verrechnung der Kosten auf Kostenstellen und Kostenträger bildet. Daher muss die Kostenartenrechnung auf die Kostenrechnungsziele, die zusammen mit der Kostenstellen- und Kostenträgerrechnung angestrebt werden, ausgerichtet sein. In der Kostenartenrechnung erfolgt die auf dem Verursachungsprinzip beruhende Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten. Diese auf ein Produkt oder eine Dienstleistung bezogene Betrachtungsweise qualifiziert diejenigen Kosten als Einzelkosten, die sich direkt einem Kostenträger bzw. einer Kostenstelle zurechnen lassen (direkte Kosten). Diese Einzelkosten werden unmittelbar aus der Kostenartenrechnung ohne Verrechnung über die Kostenstellen dem Kostenträger zugeordnet. Die Gemeinkosten sind dagegen nicht dem einzelnen, als Kalkulationsobjekt fungierenden Produkt oder der einzelnen Dienstleistung direkt, sondern nur indirekt zuzurechnen (indirekte Kosten). Bei Anwendung der Vollkostenrechnung werden diese indirekten Kosten über einzelne Kostenstellen geleitet und mit Hilfe von Schlüsselgrößen auf einzelne Kostenträger verteilt.
Rz. 773
Kostenarten nach den OECD-Leitlinien. Die OECD-Leitlinien unterscheiden im Rahmen der Ermittlung der relevanten Kostenbasis zwischen drei verschiedenen Kostenarten, nämlich den direkten Kosten, den indirekten Kosten und den allgemeinen Verwaltungskosten ("Operating Expenses"). Im Ergebnis stellen damit auch die OECD-Leitlinien auf eine Unterscheidung zwischen Einzel- und Gemeinkosten ab. Allerdings sei der Gewinnaufschlag nur auf der Basis der direkten und indirekten Kosten vorzunehmen.
Rz. 774
"Operating Expenses". Die "Operating Expenses", zu denen diejenigen Kosten zählen, die das Unternehmen als Ganzes betreffen, wie z.B. Überwachungs-, Geschäftsführungs- und allgemeine Verwaltungskosten, sollen nach Auffassung der OECD indessen nicht in die Kostenbasis einbezogen werden, wenngleich diese Kosten nach betriebswirtschaftlichem Kostenrechnungsverständnis den indirekten Kosten zuzurechnen sind. Zwar verkennen die OECD-Leitlinien nicht die Schwierigkeiten einer Abgrenzung zwischen den einzelnen Kostenarten. Sie gehen aber davon aus, dass Teile dieser Kosten bereits Gewinnelemente enthalten können und sich in der Höhe der "Operating Expenses" bereits die Effizienz eines Unternehmens widerspiegelt.
Rz. 775
Kostenkategorien. Unabhängig davon, dass sich Effizienzunterschiede zwischen einzelnen Unternehmen auch bei den übrigen (direkten und indirekten) Kosten zeigen können, ist die Frage, welche Kostenkategorie im Einzelnen vorliegt, abhängig von der Art des konzerninternen Liefer- und Leistungsaustausches. So können bei Warenlieferungen Verwaltungskosten zu den "Operating Expenses" zählen, während diese im Rahmen einer Dienstleistungserbringung den indirekten oder gar den direkten Kosten zuzuordnen sind. Die Dreiteilung zwischen direkten, indirekten und "Operating Expenses" ist also liefer- und leistungsabhängig und im Ergebnis willkürlich. Vor diesem Hintergrund ist sie für die praktische Verrechnungspreisermittlung ungeeignet, da bestimmte Kostenkategorien nicht oder nur wahlweise einbezogen werden.
Rz. 776
Eliminierung von "Operating Expenses". Vielmehr erinnert die Eliminierung von "Operating Expenses" aus der Kostenbasis an die Definition der steuerlichen Herstellungskosten. Danach müssen zwar die Materialeinzelkosten, Materialgemeinkosten, Fertigungseinzelkosten, Fertigungsgemeinkosten, Sonderkosten der Fertigung und die Abschreibungen, soweit durch die Herstellung bedingt, in die Herstellungskosten einbezogen werden (Pflichtbestandteile), während allgemeine Verwaltungs- und ähnliche Kosten nicht einbezogen werden brauchen (Wahlrecht) und Vertriebskosten nicht einbezogen werden dürfen (Verbot). Eine solche Orientierung an den steuerlichen Herstellungskosten verkennt allerdings, dass die steuerlichen Herstellungskosten bei der Verrechnungspreisermittlung keine Rolle spielen können und nur die kalkulatorischen Herstellungskosten in die Kostenbasis einbezogen werden dürfen, weil nur die Selbstkosten Grundlage für die Kalkulation von Absatzpreisen gegenüber fremden Dritten sein können und damit allein dem Grundsatz des Fremdvergleichs entsprechen. Die steuerlichen Herstellungskosten dienen anderen Rechnungszwecken, z.B. der Vorratsbewertung oder der Ermittlung der Höhe der aktivierten Eigenleistungen, nicht aber als Basis für die Preispolitik gegenüber Fremden. Die Notwendigkeit einer ausschließlichen Orientierung an den betriebswirtschaftlichen Eleme...