Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(2) Ist ein materielles Wirtschaftsgut im Sinne des Absatzes 1 nicht der Bau- und Montagebetriebsstätte zuzuordnen, so ist es dem übrigen Unternehmen zuzuordnen und gilt als der Bau- und Montagebetriebsstätte unentgeltlich beigestellt.
Rz. 3609
Unentgeltliche Beistellung von Vermögenswerten. Nach § 31 Abs. 2 BsGaV wird ein materielles Wirtschaftsgut des Bau- und Montageunternehmens, das in einer Bau- und Montagebetriebsstätte genutzt wird, dieser aber nicht nach § 31 Abs. 1 BsGaV zuzuordnen ist, dem übrigen Unternehmen zugeordnet. Infolgedessen gilt das betreffende Wirtschaftsgut als der Bau- und Montagebetriebsstätte vom übrigen Unternehmen unentgeltlich beigestellt. In den Fällen der unentgeltlichen Beistellung durch das übrige Unternehmen wird die ursprüngliche Zuordnung des materiellen Wirtschaftsguts nicht geändert. Damit führt die Nutzung eines materiellen Wirtschaftsguts durch eine ausländische Bau- und Montagebetriebsstätte nach Auffassung der Finanzverwaltung weder zu einer Entstrickung des Vermögenswerts i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 und 4 EStG beim inländischen Bau- und Montageunternehmen noch zu einer fiktiven Veräußerung oder entgeltlichen Nutzungsüberlassung i.S.d. § 16 Abs. 1 BsGaV. Die Unentgeltlichkeit der Beistellung wird insbesondere dadurch begründet, dass die Geschäftsleitungsbetriebsstätte des Bau- und Montageunternehmens ein eigenes betriebliches Interesse an der Beistellung habe, um den ihr zugeordneten Bau- und Montagevertrag zu erfüllen. Dies ist allerdings allenfalls dann sachgerecht, wenn der Bau- und Montagevertrag dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist (hierzu Anm. 3611 ff.). Wird der Bau- und Montagevertrag hingegen der Bau- und Montagebetriebsstätte zugeordnet, kann nicht von einem eigenbetrieblichen Interesse des übrigen Unternehmens ausgegangen werden, sodass eine entgeltliche Nutzungsüberlassung der Wirtschaftsgüter des übrigen Unternehmens an die Betriebsstätte zu erfolgen hat. Insgesamt ist hier kritisch anzumerken, dass die unentgeltliche Beistellung der Wirtschaftsgüter im Widerspruch zu den Grundsätzen des AOA und der Nutzungsentstrickung i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 3 EStG steht, die vorrangig vor § 1 Abs. 5 anzuwenden ist. Hintergrund der Fiktion einer unentgeltlichen Beistellung dürfte die Annahme sein, dass die Bau- und Montagebetriebsstätte eine (Routine-)Dienstleistung an das übrige Unternehmen erbringt, die nach der Kostenaufschlagsmethode zu vergüten ist (Anm. 3617). Damit soll aus Sicht der Finanzverwaltung eine Verbreitung der Kostenbasis durch die Abrechnung fiktiver Nutzungsüberlassungsgebühren und infolgedessen eine Erhöhung des Gewinns der ausländischen Bau- und Montagebetriebsstätte vermieden werden. Problematisch ist allerdings, dass eine solche Begrenzung der Kostenbasis (Bemessungsgrundlage für den Gewinnaufschlag) im OECD-Betriebsstättenbericht nicht vorgesehen ist. Die ersten praktischen Erfahrungen zeigen, dass die ausländischen Finanzbehörden diesen Ansatz nicht akzeptieren, sodass dem Steuerpflichtigen im Einzelfall eine Doppelbesteuerung droht.
Beispiel
Ein inländisches Bau- und Montageunternehmen hat in den Niederlanden eine Bau- und Montagebetriebsstätte. Dort wird eine Baumaschine, die vom inländischen Bau- und Montageunternehmen angeschafft wurde, für acht Monate für die Bauarbeiten genutzt und nach Ablauf der acht Monate auf anderen Baustellen eingesetzt. Die Bau- und Montagebetriebsstätte setzt die Baumaschine lediglich für ihren Bauauftrag ein und übt keine Personalfunktionen hinsichtlich der Anschaffung, Veräußerung oder Verwertung der Baumaschine aus.
Lösung
Die Baumaschine ist nach § 31 Abs. 2 dem übrigen Unternehmen zuzuordnen. Sie gilt der niederländischen Bau- und Montagebetriebsstätte als unentgeltlich beigestellt.