Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
„ [4] Auf der Grundlage dieser Zuordnung sind in einem zweiten Schritt die Art der Geschäftsbeziehungen zwischen dem Unternehmen und seiner Betriebsstätte und die Verrechnungspreise für diese Geschäftsbeziehungen zu bestimmen.”
Rz. 2885
Bestimmung der Art der Geschäftsbeziehungen. Im zweiten Schritt der Gewinnermittlung/-abgrenzung ist auf der Grundlage der fiktiven Ausgestaltung der Betriebsstätte als eigenständiges und unabhängiges Unternehmen zunächst die Art der anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen zu bestimmen. Hierbei fällt auf, dass § 1 Abs. 5 Satz 4 lediglich von der "Art der Geschäftsbeziehungen", nicht aber von den Geschäftsbeziehungen selbst spricht. Was im Einzelnen unter der "Art der Geschäftsbeziehungen" zu verstehen ist, bleibt unklar. Man wird dies jedoch so verstehen müssen, dass die einzelnen Geschäftsbeziehungen zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen dem Grunde nach zu identifizieren sind, und eine Bestimmung lediglich der Art (z.B. fiktive Dienstleistungen, fiktive Veräußerungen o.Ä.) nicht ausreichend ist. Dies legt auch der zweite Teil des Satzes nahe, der von der Bestimmung der Verrechnungspreise für "diese" Geschäftsbeziehungen spricht. § 1 Abs. 2 Nr. 6 BsGaV schließlich spricht unmittelbar von der Bestimmung der "anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen [...], die die Betriebsstätte zum übrigen Unternehmen unterhält" (Rz. 2930). Die Identifizierung der Geschäftsbeziehungen erfolgt auf der Grundlage von § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (Rz. 2791 ff.). § 16 BsGaV konkretisiert dies weiter (Rz. 3321 ff.).
Rz. 2886
Ableitung der Verrechnungspreise. Für die identifizierten Geschäftsbeziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 zwischen der Betriebsstätte und dem übrigen Unternehmen sind schließlich "die Verrechnungspreise" zu bestimmen. Die Vorschrift enthält hier keinen Hinweis darauf, ob die Verrechnungspreise gemeint sind, die der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-aufteilung tatsächlich zugrunde gelegten wurden, oder diejenigen, die dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechen. Mit Blick auf die Absicht des Gesetzgebers, den sog. Two-Step-Approach des AOA in innerstaatliches Recht umzusetzen (Rz. 2802), sowie die Ausführungen in der Regierungsbegründung zum JStG 2013, wonach auf die anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen "die Grundsätze der OECD-Verrechnungspreisleitlinien anzuwenden" sind, ist davon auszugehen, dass sich § 1 Abs. 5 Satz 4 auf die jeweils dem Fremdvergleichsgrundsatz entsprechenden Verrechnungspreise, d.h. auf den Eichstrich bezieht, an dem die betriebsstättenbezogene Gewinnermittlung/-aufteilung zu messen ist. Die Ermittlung der der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-aufteilung tatsächlich zugrunde gelegten Bedingungen (Verrechnungspreise) dürfte allerdings i.d.R. ebenfalls erforderlich sein – insbesondere im Fall von Verrechnungspreisbandbreiten (s.u.).
Im Hinblick auf die Anordnung des § 1 Abs. 5 Satz 4 zur Bestimmung der "Verrechnungspreise" für die identifizierten Geschäftsbeziehungen ist darauf hinzuweisen, dass es nach der Rspr. des BFH im Urteil v. 17.10.2001 den einen fremdvergleichskonformen Verrechnungspreis i.S. einer einwertigen Größe nicht gibt, sondern i.d.R. eine Bandbreite von Verrechnungspreisen existiert, die für sich genommen jeweils dem Fremdvergleichsgrundsatz genügen (Rz. 2852). Liegt der der betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlung/-aufteilung tatsächlich zugrunde gelegte Verrechnungspreis innerhalb einer solchen Bandbreite, ist dieser Verrechnungspreis auch als fremdvergleichskonformer Verrechnungspreis i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 4 heranzuziehen. Darüber hinaus gilt grundsätzlich, dass die in § 1 Abs. 3–3e konkretisierten Wertungen des Gesetzgebers nur insoweit zur Bestimmung des fremdvergleichskonformen Verrechnungspreise i.S.d. § 1 Abs. 5 Satz 4 herangezogen werden können, als sie mit einem echten Fremdvergleich in Übereinstimmung stehen (Rz. 2852, 2861).