Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1248
Funktionsadäquater Gewinn. Im Zusammenhang mit der Kündigung des Vertriebsvertrags und dem Neuabschluss eines Kommissionärsvertrags zwischen der M-Inc. und der V-GmbH kommt auch die Besteuerung einer Funktionsverlagerung nicht in Betracht. Denn bereits in Rz. 1246 wurde gezeigt, dass der durch den Abschluss des Kommissionärsvertrags verminderten Gewinnchance der V-GmbH eine äquivalente Minderung ihrer Funktionen und Risiken gegenübersteht, sodass auch zwischen fremden Dritten kein Entschädigungsanspruch entstehen würde. Im Übrigen vertreibt die V-GmbH als Kommissionär ab dem 1.2.2020 die Produkte (weiterhin) im eigenen Namen, sodass nicht von der Übertragung eines Kundenstamms auf die M-Inc. auszugehen ist. Auch die Realisierung eines Kundenstamms kommt daher nicht in Betracht.
Rz. 1249
Auffassung der Finanzverwaltung. Die Ausführungen der Finanzverwaltung, die sich noch zur alten Rechtslage den VWG-Funktionsverlagerung zur Funktionsabschmelzung einer Vertriebsgesellschaft auf einen Kommissionär entnehmen lassen, sind widersprüchlich. So wird zunächst eingeräumt, dass auch nach Ansicht der Finanzverwaltung eine "vertragskonforme Funktionsänderung selbst und die damit einhergehende Verminderung von Chancen und Risiken für sich alleine keine Funktionsverlagerung" darstellt. Aufgrund dieser Auffassung würde in Bezug auf den in Rz. 1242 gestellten Sachverhalt keine Funktionsverlagerung von der M-Inc. auf die V-GmbH ausgelöst werden. Demgegenüber qualifizieren Rz. 21 VWG-Funktionsverlagerung und Rz. 3.91 VWG VP 2023 die "Umstellung eines Eigenhändlers zum Kommissionär" als "typisches Beispiel" einer Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 2 Satz 1 FVerlV. Darüber hinaus enthält Rz. 214 VWG-Funktionsverlagerung ein Beispiel, welches mit dem in Rz. 1242 geschilderten Sachverhalt vergleichbar ist. In diesem Beispiel geht die Finanzverwaltung bei einer Funktionsabschmelzung von einem Vertragshändler zum Kommissionär unter bestimmten Voraussetzungen von einer Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 2 FVerlV aus. Insofern besteht ein Widerspruch zu der bereits oben zitierten Auffassung der Finanzverwaltung, wonach grundsätzlich bei einer vertragskonformen Funktionsänderung keine Funktionsverlagerungsbesteuerung eintritt.
Rz. 1250
Funktionsabschmelzung einer Vertriebsgesellschaft zum Handelsvertreter. Die vorstehenden Ausführungen zu einer Funktionsabschmelzung einer Vertriebsgesellschaft vom Eigenhändler bzw. Vertragshändler zum Kommissionär gelten korrespondierend bei einer Funktionsabschmelzung auf einen Handelsvertreter.