Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(4) [1] Der Bau- oder Montagevertrag mit dem Auftraggeber ist ein Geschäftsvorfall im Sinne des § 9, der dem übrigen Unternehmen zuzuordnen ist. [2] Diese Zuordnung ist nur dann mit den Rechtsfolgen des § 16 zu ändern, wenn
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1. den in der Bau- und Montagebetriebsstätte ausgeübten Personalfunktionen im Zusammenhang mit dem Vertrag eindeutig die größte Bedeutung zukommt, wobei insbesondere die Vorbereitung und der Abschluss des Vertrags, die Bereitstellung der dafür erforderlichen Vermögenswerte und die Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Vertrag zu berücksichtigen sind, oder |
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2. aus funktionalen Gründen davon auszugehen ist, dass die Bau- und Montagebetriebsstätte, wäre sie ein unabhängiger Dritter, den Bau- oder Montagevertrag mit dem Auftraggeber vom übrigen Unternehmen übernommen hätte. |
Rz. 3611
Zuordnung zum übrigen Unternehmen. Ein Bau- und Montagevertrag kann sowohl als Werkvertrag als auch als Projektvertrag ausgestaltet sein und verschiedene Leistungen wie Planung, Konstruktion, Materiallieferung, Bau- bzw. Montageüberwachung oder Schulungen umfassen. Der Zuordnung des Bau- und Montagevertrags kommt bei der Gewinnermittlung einer Bau- und Montagebetriebsstätte eine zentrale Bedeutung zu. Der Abschluss eines Bau- und Montagevertrags mit dem Auftraggeber ist ein Geschäftsvorfall i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1. Nach § 9 BsGaV gilt das Zustandekommen des Geschäftsvorfalls als maßgebliche Personalfunktion (Anm. 3112). Nach § 31 Abs. 4 BsGaV ist der Bau- und Montagevertrag grundsätzlich dem übrigen Unternehmen (bzw. der Geschäftsleitungsbetriebsstätte) zuzuordnen. Diesem Ansatz liegt die Überlegung zugrunde, dass die Bau- und Montagebetriebsstätte zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses regelmäßig noch nicht bestanden hat und bereits deswegen eine Zuordnung bei der Bau- und Montagebetriebsstätte ausscheidet. Auch in der Praxis ist es regelmäßig üblich, dass das Management des übrigen Unternehmens (Geschäftsleitungsbetriebsstätte) den Vertrag aushandelt, sodass die damit verbundenen Risiken durch Mitarbeiter der Geschäftsleitungsbetriebsstätte beurteilt und überwacht werden. Die generelle Zuordnung zum übrigen Unternehmen gilt nach Auffassung der Finanzverwaltung auch für einen Anschluss- sowie für einen Folgeauftrag (Anm. 3612). Der Bau- und Montagevertrag kann im Einzelfall aber auch einer anderen Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 1 AO bzw. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA zuzuordnen sein. Dies lässt sich anhand des folgenden Beispiels veranschaulichen:
Beispiel
Ein inländisches Bauunternehmen hat in Österreich eine Betriebsstätte, die die Voraussetzungen einer festen Geschäftseinrichtung i.S.d. § 12 Satz 1 AO bzw. Art. 5 Abs. 1 OECD-MA erfüllt. Die Geschäftseinrichtung in Österreich akquiriert laufend Bauaufträge vor Ort und koordiniert die Bauarbeiten (teilweise Bau- und Montagebetriebsstätten), ohne selbst an den Bauarbeiten mitzuwirken.
Lösung
Die feste Geschäftseinrichtung in Österreich ist selbst keine Bau- und Montagebetriebsstätte. Denn sie besteht nicht zwecks Durchführung eines einzelnen Bau- und Montagevertrags (§ 30 BsGaV, Anm. 3603). Die Bau- und Montageverträge sind der festen Geschäftseinrichtung in Österreich zuzuordnen, da die dort ausgeübten Personalfunktionen für die Zuordnung der Verträge maßgeblich sind (§ 9 BsGaV, Anm. 3111 ff.). Die Gewinne der festen Geschäftseinrichtung sind nach den allgemeinen Regelungen der §§ 1–17 BsGaV zu ermitteln.
Rz. 3612
Besonderheiten bei Anschluss- und Folgeverträgen. Erhält das Unternehmen einen Anschlussvertrag, der in einem örtlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer bereits bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte steht (z.B. Gesamtprojekt mit demselben Kunden), wird dadurch keine neue, selbständig zu beurteilende Bau- und Montagebetriebsstätte begründet. Vielmehr ist der Anschlussvertrag als Teil der bereits bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte einzuordnen.
Beispiel
Nach Fertigstellung der Erdarbeiten für ein Gebäude in Frankreich (eine Bau- und Montagebetriebsstätte wurde bereits begründet) erhält das inländische Bauunternehmen den Auftrag, den Rohbau des Gebäudes zu errichten.
Lösung
Der Anschlussauftrag steht in einem örtlichen und sachlichen Zusammenhang mit der bereits bestehenden Bau- und Montagebetriebsstätte. Dies gilt unabhängig davon, ob die Errichtung des Rohbaus – isoliert betrachtet – die Voraussetzungen für eine Bau- und Montagebetriebsstätte erfüllt.
Die Beurteilung von Folgeverträgen ist von der steuerlichen Würdigung von Anschlussverträgen zu unterscheiden. Folgeverträge liegen insbesondere dann vor, wenn der Vertrag nicht in einem örtlichen und sachlichen Zusammenhang mit einer Bau- und Montagebetriebsstätte steht und es sich deshalb nicht um einen Anschlussvertrag handelt. Schließt unter diesen Voraussetzungen das Bau- und Montageunternehmen einen Folgevertrag im selben Staat, in dem bereits eine Bau- und Montagebetriebsstätte begründet wurde, ab, sind für den Folgevertrag die Voraussetzungen für ...