Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1059
Aufteilung negativer Einigungsbereiche/Wertfindung. In der Transaktionspraxis wird in Fällen eines negativen Einigungsbereichs unter Marktbedingungen die Konzessionsbereitschaft ausschließlich auf Seiten des Veräußerers festgemacht. Eine Transaktion kommt nur dann zustande, wenn der Veräußerer sein Anspruchsniveau im Hinblick auf den Preis einseitig variiert. Hierbei ist allerdings fraglich, ob Kompensationsobjekte bestehen, die den Veräußerer dazu bewegen, sein Preisanspruchsniveau einseitig nach unten anzupassen. Im Wesentlichen werden solche Konzessionsüberlegungen auf die spezifische Entscheidungssituation des Veräußerers zurückzuführen sein, die – mangels Erfolgswirkung – keinen Einfluss auf seine individuelle Grenzpreisbestimmung haben. Dies gilt vornehmlich in Fällen, in denen es sich auf Seiten des Veräußerers um Unternehmensträger oder Unternehmensträgergruppen handelt, die ihr wirtschaftliches Engagement dauerhaft beenden wollen.
Rz. 1060
Auffassung der Finanzverwaltung. Die VWG VP äußern sich in Rz. 3.17 erstmals zum negativen Einigungsbereich und nehmen die Gesetzesbegründung zu § 1 Abs. 3a Satz 5 auf, dass in diesem Fall zu prüfen ist, ob die Ursache hierfür in einer weiteren Geschäftsbeziehung begründet ist. Für den Fall, dass solche Gründe nicht festgestellt werden können, soll die Differenz zwischen den am Geschäftsvorfall beteiligten Unternehmen aufzuteilen sein. Dies bedeutet letztlich nichts anderes als den negativen Einigungsbereich gleichmäßig, d.h. bei zwei Transaktionspartnern hälftig, aufzuteilen, wie dies § 1 Abs. 3a Satz 6 als widerlegbare gesetzliche Vermutung für das tatsächliche Bestehen eines Einigungsbereichs vorsieht. Die Finanzverwaltung verweist zur Begründung auf den Bericht des EU-JTPF über den Einsatz von Methoden zur wirtschaftlichen Bewertung von Verrechnungspreisen, konkret auf Tz. 28 dieses Berichts. Dort behandelt ist allerdings der Sachverhalt eines positiven Einigungsbereichs, bei dem der Grenzpreis des Leistungsempfängers den Grenzpreis des Leistenden überschreitet, sowie ferner der Hinweis, dass einige EU-Mitgliedstaaten in Fällen, in denen es nicht möglich ist, einen bestimmten Wert innerhalb des Einigungsbereichs z.B. durch Analyse der Verhandlungsmacht zu bestimmen, den Mittelwert als Rückfallposition zugrunde legen. Für die hälftige bzw. gleichmäßige Aufteilung eines negativen Einigungsbereichs gibt die Darstellung des EU-JTPF nichts her. Die Finanzverwaltung hätte sich genauso gut auf § 1 Abs. 3a Satz 6 beziehen können (s. aber Rz. 1061).
Rz. 1061
Aufteilungsregel „ im Einigungsbereich ” nicht anwendbar. In der Betriebsprüfungspraxis sieht man sich vor diesem Hintergrund regelmäßig mit Wertermittlungen konfrontiert, bei denen ungeachtet des Verhältnisses der jeweiligen Preisgrenzen zueinander die gesetzlichen Regelungen über die Verrechnungspreisbestimmung bei Existenz eines Einigungsbereichs zur Anwendung gebracht werden. Dies gilt, obgleich diese Bestimmungen den fraglichen Sachverhalt nicht regeln und sich ihr Anwendungsbereich auf die Preis- bzw. Wertbestimmung "im Einigungsbereich " beschränkt. § 1 Abs. 3a Satz 6 kann weder unmittelbar noch über einen Analogieschluss angewandt werden. Ferner verkennt diese rein analytische Vorgehensweise das Wesen eines Einigungsbereichs und die Rechtfertigung seiner Aufteilung zwischen den beiden Transaktionspartnern: Die Einigungsbereichsbetrachtung basiert auf der Simulation eines Preisbildungsprozesses, bei dem durch die Bestimmung der individuellen Preisgrenzen ein Verhandlungsrahmen nur dann abgesteckt wird, wenn die Preisgrenze des leistungserbringenden Unternehmens unter der Preisgrenze des leistungsempfangenden Unternehmens liegt. Dieser Verhandlungsrahmen ist dadurch gekennzeichnet, dass sich beide Transaktionspartner bei jedem Wert innerhalb dieses Einigungsbereichs gleich oder besser stellen, als sie auf Grundlage ihrer individuellen Grenzpreisermittlung unter Berücksichtigung ihrer individuellen Handlungsalternativen stehen würden. Der Einigungsbereich steckt mithin den "gemeinsamen Gewinn" der Kontrahenten ab. Deshalb entspricht jede Preisfindung innerhalb des Einigungsbereichs auch dem Fremdvergleichsgrundsatz. Vergleichbare Überlegungen können nicht angestellt werden, wenn eine Verbesserung für keinen der Transaktionspartner möglich ist.
Eine Verlustteilung entzieht sich damit regelmäßig einem Fremdvergleich, da es unter fremden Dritten regelmäßig nicht üblich ist, Verlustquellen zu übernehmen oder sich anteilig an Verlustquellen eines anderen zu beteiligen. Gänzlich abwegig sind die Überlegungen, auf die die Rechtfertigung des Mittelwertansatzes bzw. der hälftigen Teilung von Einigungsbereichen zurückgeführt werden (Rz. 1055 ff. und (Rz. 1056)). Dies entspricht in Fällen der Verlagerung von Verlustfunktionen den Regelungen in § 6 Abs. 3 FVerlV und der Sichtweise der Finanzverwaltung in den VWG-Funktionsverlagerung (vgl. auch Rz. 915).
Rz...