Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 2831
Gewerbesteuer. Der auf eine Betriebsstätte entfallende Gewinn eines Unternehmens ist auch für die Gewerbesteuer von Bedeutung. Nach § 9 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist die Summe des Gewinns und der Hinzurechnungen um den Teil des Gewerbeertrags zu kürzen, "der auf eine nicht im Inland belegene Betriebsstätte entfällt". In diesem Zusammenhang ist ausschließlich auf den inländischen Betriebsstättenbegriff i.S.d. §§ 12 f. AO abzustellen – der abkommensrechtliche Betriebsstättenbegriff verdrängt für Zwecke der gewerbesteuerlichen Kürzung den nationalen Betriebsstättenbegriff des § 12 AO weder als lex specialis noch als ggf. vorrangige völkerrechtliche Vereinbarung nach § 2 Abs. 1 AO. Nach Ansicht der Finanzverwaltung soll die Ermittlung des ausländischen Betriebsstättengewinns nur dann auf der Grundlage des AOA erfolgen, wenn der AOA in dem mit dem Betriebsstättenstaat abgeschlossenen DBA umgesetzt ist, und andernfalls die Gewinnabgrenzung auf der Grundlage der Betriebsstätten-VWG (Veranlassungsprinzip) vorzunehmen sein.
Liegt zwar eine Betriebsstätte nach inländischem Recht, nicht aber nach Abkommensrecht vor, entfaltet das anzuwendende DBA keine Freistellungswirkung. Aufgrund der ausdrücklichen Anordnung in § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GewStG ist der gewerbesteuerliche Gewinn jedoch gleichwohl um den auf die ausländische Betriebsstätte entfallenden Gewerbeertrag zu kürzen. Dies betrifft z.B. ausländische Betriebsstätten i.S.d. § 12 AO, die lediglich Hilfstätigkeiten i.S.d. Art. 5 Abs. 4 OECD-MA ausführen und daher abkommensrechtlich nicht als Betriebsstätte eingeordnet werden. Fraglich ist in diesem Zusammenhang, ob die Verankerung des AOA in § 1 Abs. 5 seiner Anwendung auch für Zwecke des § 8 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 GewStG entgegensteht. Nach der hier vertretenen Auffassung ist dies nicht der Fall.
Beispiel 4
Ein inländisches Unternehmen verfügt über eine ausländische Betriebsstätte B in Staat B, in der die Buchhaltung des Unternehmens in eigenen Räumen durch eigene Mitarbeiter erfolgt. Die Gesamtkosten der Buchhaltungsfunktion betragen 5 Mio. Euro, im Rahmen einer Dienstleistung unter fremden Dritten wäre ein Gewinnaufschlag von 5 % sachgerecht gewesen. Das anzuwendende DBA enthält eine Art. 5 OECD-MA nachgebildete Vorschrift.
Lösung
Die Betriebsstätte B stellt eine Betriebsstätte i.S.d. § 12 Satz 2 Nr. 3 AO, nicht aber eine abkommensrechtliche Betriebsstätte dar (Hilfstätigkeit, Art. 5 Abs. 4 Buchst. e des DBA). Die Frage geht nun dahin, ob – entsprechend der Rechtslage vor Einführung des AOA – lediglich der der Betriebsstätte zuzurechnende Aufwand oder – entsprechend dem AOA – der sich unter Annahme einer fiktiven Dienstleistung ergebende Gewinn der Betriebsstätte zu kürzen ist. Ersteres hätte eine Erhöhung des Gewerbeertrags des übrigen Unternehmens um 5 Mio. Euro zur Folge, während bei Umsetzung des AOA der Gewerbeertrag des übrigen Unternehmens um 250.000 Euro zu kürzen wäre (Wert der fiktiven Dienstleistung: 5,25 Mio. Euro). Ordnet man die deutsch-steuerrechtliche Umsetzung des AOA als allgemeinen betriebsstättenbezogenen Gewinnermittlungs- und -abgrenzungsmaßstab ein (Rz. 2812), kommt nur eine entsprechende Umsetzung des AOA, d.h. eine Gewerbeertragsminderung in Betracht.
Rz. 2832
Keine Anknüpfung von Quellensteuern. Die im Rahmen der betriebsstättenbezogenen Gewinnabgrenzung/-ermittlung fingierten anzunehmenden schuldrechtlichen Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 (Rz. 2791 ff., 3321 ff.) können grundsätzlich auch solche Beziehungen umfassen, die zwischen rechtlichen selbständigen Unternehmen Anknüpfungspunkt für Quellensteuern wären (z.B. fiktive Zins- oder Lizenzzahlungen). Anzunehmende schuldrechtliche Beziehungen i.S.d. § 1 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 unterliegen aber weder selbst möglichen Quellensteuern, noch sind sie Anknüpfungspunkt der Anrechnung von Quellensteuern.
Rz. 2833– 2840
frei