Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 866
Kein Rangverhältnis. Nach der Rechtsprechung des BFH, die allerdings vor der gesetzlichen Einführung des Stufenverhältnisses in § 1 Abs. 3 und der Übernahme des OECD- Ansatz der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" ergangen und auf ein Rangfolgeverhältnis innerhalb der Standardmethoden beschränkt ist, war die Methode heranzuziehen, "mit der der Fremdvergleichspreis im konkreten Einzelfall mit der größtmöglichen Wahrscheinlichkeit seiner Richtigkeit ermittelt werden kann". Die Rechtsprechung des BFH weist insofern ein gewisse Nähe zu dem nunmehr gesetzlich geregelten OECD-Ansatz der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" auf, als – jedenfalls für die Auswahl einer Standardmethode – "die im Einzelfall zur Überprüfung des tatsächlich vereinbarten Verrechnungspreises geeignetste Methode zu bestimmen" ist. In seinem Urteil vom 9.8.2023 verweist der BFH dementsprechend auch ausdrücklich auf Tz. 2.2 OECD-Leitlinien und das dort geregelte Auswahlkonzept. Mit der h.M. hat der BFH die Standardmethoden als vorrangig und im Grundsatz als gleichberechtigt nebeneinander anwendbar angesehen. Dem BFH-Urt. v. 6.4.2005 kann ferner entnommen werden, dass der BFH der Anwendung der Preisvergleichsmethode einen gewissen Vorrang vor der Anwendung der anderen Standardmethoden einräumen will. Diese Rspr. hat der BFH mit seinem Urteil v. 18.5.2021 bestätigt und die Preisvergleichsmethode als "Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise" eingeordnet. In einem weiteren Urteil vom selben Tag hat der BFH (i) auf diese Rspr. Bezug genommen und (ii) Konkretisierungen zu der Frage vorgenommen, welcher konkrete Markt den zutreffenden Maßstab für die Feststellung von Vergleichspreisen darstellt sowie (iii) festgestellt, dass erforderliche Anpassungen von Vergleichspreisen (Im Urteilssachverhalt eines Zinszuschlags zur Kompensation eines höheren Ausfallrisikos unbesicherter Nachrangdarlehen) auf ebendiesem maßgeblichen Markt zu bestimmen sind. Auf letztere Grundsätze nimmt der BFH auch in seinem Urteil v. 9.6.2021 Bezug.
Der Vorrang der Preisvergleichsmethode ist bei Vorliegen der methodenspezifischen Voraussetzungen auch sachgerecht und entspricht dem in § 1 Abs. 3 Satz 5 geregelten Konzept der "am besten geeigneten Verrechnungspreismethode" jedenfalls dann, wenn neben jeder anderen Verrechnungspreismethode die Preisvergleichsmethode gleich zuverlässig anwendbar ist (vgl. Rz. 860). Da die Preisvergleichsmethode als einzige Verrechnungspreismethode auf marktentstandene, d.h. direkt am Markt beobachtbare Preise für uneingeschränkt, jedenfalls aber eingeschränkt vergleichbare Referenztransaktionen abstellt, basiert sie auf einem tatsächlichen Fremdvergleich und stellt gewissermaßen auch dessen "Urbild" dar.
Der BFH verlangte allerdings für die Anwendung der Preisvergleichsmethode, dass die Preise "auf zumindest im Wesentlichen identischen Leistungsbeziehungen beruhen ", was den Anwendungsbereich der Preisvergleichsmethode erheblich einschränkt. Mit der Forderung nach einer Identität der Leistungsbeziehungen werden jedoch zu hohe Anforderungen an die Vergleichbarkeit der Verhältnisse gestellt. Vergleichbarkeit bedeutet nämlich keine Identität, also Deckungsgleichheit der Verhältnisse. Vielmehr ist Vergleichbarkeit bereits dann gegeben, wenn die Vergleichsobjekte ähnlich mit Bezug auf ihre wesentlichen Merkmale sind. Auch § 1 Abs. 3 Satz 6 fordert im Hinblick auf Vergleichbarkeitsanpassungen ebenso wie die Finanzverwaltung keine uneingeschränkte Vergleichbarkeit oder Identität. Vielmehr bedeutet vergleichbar sein, „dass keiner der Unterschiede (sofern vorhanden) zwischen den im Rahmen der Methode verglichenen Gegebenheiten die untersuchten Bedingungen beeinflussen kann, oder dass hinreichend genaue Anpassungen erfolgen können, um die Auswirkung dieser Unterschiede auszuschließen. Hierbei geht auch der Gesetzgeber davon aus, dass es sich "um eventuell zwischen den Geschäftsvorfällen bestehende erhebliche Unterschiede" handeln muss.
Mit Urteil vom 18.5.2021 hat der BFH die Preisvergleichsmethode als "Grundmethode zur Bestimmung angemessener Verrechnungspreise" allerdings gestärkt und eine zumindest eingeschränkte Vergleichbarkeit der Preise des in Rede stehenden Geschäfts und des Vergleichsgeschäfts für die Anwendung der Preisvergleichsmethode als hinreichend angesehen, wenn Unterschiede in der Vergleichbarkeit im Rahmen einer Schätzung quantifiziert und durch Anpassungsrechnungen eliminiert werden können. Dessen ungeachtet, sollte die strenge Anforderung an die Anwendbarkeit der Preisvergleichsmethode, dass im Wesentlichen identische Leistungsbeziehungen gegeben sein müssen, noch der Rechtsauffassung des BFH entsprechen.