Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
(1) Betriebswirtschaftliche Gründe einer Funktionsabschmelzung
Rz. 1241
Umstellung auf Kommissionärsstrukturen. Im Rahmen der Anpassung von Vertriebsfunktionen an den internationalen Globalisierungs- und Konzentrationsprozess werden häufig innerkonzernliche Vertriebsfunktionen von einer Vertragshändlertätigkeit auf eine Kommissionärsstruktur umgestellt (sog. Funktionsabschmelzung). Während eine Vertriebsgesellschaft als Vertragshändler (bzw. Eigenhändler) im eigenen Namen und auf eigene Rechnung agiert und folglich die volle Vertriebsfunktion ausübt, übernimmt der Kommissionär keine oder nur sehr geringe Risiken. Denn er handelt zwar im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung des Kommittenten (Rz. 1205). Für die Umstellung von einer Vertragshändler- auf eine Kommissionärsstruktur sind häufig sowohl betriebswirtschaftliche als auch steuerliche Gründe maßgeblich. Betriebswirtschaftlich liegen die Vorteile der Kommissionärsstruktur insbesondere in der organisatorischen und logistischen Vereinfachung der Vertriebsstruktur und einer damit einhergehenden Kostenreduktion. Ferner gewährleistet eine Kommissionärsstruktur – trotz regional agierender Vertriebsgesellschaften – eine einheitliche Preis- und Distributionspolitik. Daneben sind regelmäßig auch steuerliche Gründe für die Etablierung einer Kommissionärsstruktur maßgebend. Das gegenüber einem Eigenhändler reduzierte unternehmerische Risiko, aber auch der eingeschränkte Funktionsumfang des Kommissionärs haben zur Folge, dass diesem eine (mitunter wesentlich) geringere Vertriebsmarge zuzurechnen ist. Befindet sich die Vertriebsgesellschaft in einem Staat mit relativ hoher Steuerbelastung (z.B. Deutschland), kann demnach ein Teil der Vertriebsmarge in einen niedrig besteuerten Staat verlagert und somit die Gesamtsteuerbelastung des Konzerns – und damit auch die Konzernsteuerquote – reduziert werden.
Rz. 1242
Ausgangssachverhalt. Die steuerlichen Konsequenzen einer Funktionsabschmelzung werden nachfolgend anhand des folgenden Ausgangssachverhalts dargestellt:
Beispiel:
Der US-amerikanische Baumaschinenkonzern M-Inc. vertreibt seine in den USA hergestellten Baumaschinen in Deutschland über seine Tochter-Vertriebsgesellschaft V-GmbH. Die V-GmbH agiert als Eigenhändler, indem sie die von ihrer Muttergesellschaft, der M-Inc., in den USA produzierten Baumaschinen auf eigene Rechnung und im eigenen Namen in Deutschland (Vertriebsgebiet) vertreibt. Die V-GmbH verfügt über einen "Showroom", in welchem sie die aus den USA gelieferten Baumaschinen ausstellt, sowie über ein eigenes Lager, in welchem Baumaschinen bis zu ihrem Verkauf an Kunden sowie Ersatzteile für die Baumaschinen gelagert werden. Zum 31.1.2020 kündigt die M-Inc. vertragsgerecht den Vertriebsvertrag, da die V-GmbH ab dem 1.2.2020 als Kommissionär tätig werden soll. Der entsprechende (Kommissionärs-)Vertrag sieht vor, dass die V-GmbH im eigenen Namen, jedoch auf Rechnung der M-Inc. in Deutschland tätig wird und dabei ein vermindertes Funktions- und Risikoprofil aufweist. Für die Kunden der V-GmbH ist die Umstellung auf das Kommissionärsmodell nicht erkennbar, da die V-GmbH weiterhin im eigenen Namen auftritt. Zur Vergütung ihrer Tätigkeit erhält die V-GmbH eine angemessene Umsatzprovision i.H. von 10 %. Diese wurde auf Basis von Planzahlen anhand der Kostenaufschlagsmethode unter Berücksichtigung eines Gewinnaufschlags i.H. von 3 % ermittelt. Nach der Umstellung auf das Kommissionärsmodell zum 1.2.2020 wird das Lager der V-GmbH aufgelöst; die in den USA produzierten Baumaschinen werden jetzt unmittelbar durch die M-Inc. an die Kunden der V-GmbH geliefert. Der Showroom bleibt allerdings aus Marketinggesichtspunkten bestehen. Auf Grund der Umstellung auf das Kommissionärsmodell erleidet die V-GmbH 2020 gegenüber 2019 einen Gewinnrückgang i.H. von ca. 50 %.
(2) Verdeckte Gewinnausschüttung
Rz. 1243
Voraussetzungen einer vGA. Nach der Rspr. des BFH ist für die Frage, ob eine vGA i.S.d. § 8 Abs. 3 Satz 2 KStG anzunehmen ist, in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzung der gesellschaftsrechtlichen Veranlassung auf einen Fremdvergleich abzustellen. Der Fremdvergleich findet dabei seine Konkretisierung in der sog. "Theorie des doppelten ordentlichen Geschäftsleiters ". Vor diesem Hintergrund stellt sich in Bezug auf den in Rz. 1242 dargestellten Sachverhalt die Frage, ob zwei ordentliche und gewissenhafte Geschäftsleiter der M-Inc. und der V-GmbH im Rahme...