Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 1288
Frühere Rechtslage. Für den Fall, dass sich der nach den vorstehenden Grundsätzen ermittelte Einigungsbereich als unzutreffend erwies und tatsächlich ein anderer Einigungsbereich zutreffend war, konnte die Finanzverwaltung nach der bisherigen Rechtslage gem. § 1 Abs. 3 Satz 8 a.F. auf eine Einkünfteberichtigung verzichten, wenn der vom Steuerpflichtigen gewählte Wert noch innerhalb des neuen, tatsächlich zutreffenden Einigungsbereichs lag. In diesem Zusammenhang stellte sich die Frage, wann ein Einigungsbereich und damit auch eine Transferpaketbewertung unzutreffend war. Der Einigungsbereich wird durch den Mindestpreis des übertragenden und den Höchstpreis des übernehmenden Unternehmens bestimmt, die aufgrund einer Funktionsanalyse und innerbetrieblicher Planrechnungen zu ermitteln sind. Ein unzutreffender Einigungsbereich ist daher immer die Folge einer unzutreffenden Funktionsanalyse oder unzutreffender innerbetrieblicher Planrechnungen. Da eine Funktionsanalyse stets mit hohem Aufwand verbunden ist und es hierbei naturgemäß zu unterschiedlichen Auffassungen zwischen dem Steuerpflichtigen und der Finanzverwaltung kommen kann, wird man eine unzutreffende Funktionsanalyse nur in seltenen Ausnahmefällen annehmen können. Angesprochen waren also Fälle, in denen die Funktionsanalyse in grundlegend anderer Art und Weise hätte erfolgen müssen, etwa wenn statt eines unterstellten Eigenproduzenten tatsächlich ein Lohnfertiger vorliegt. Entsprechendes gilt für die innerbetrieblichen Planrechnungen. Diese waren nicht bereits dann unzutreffend, wenn die späteren Ist-Werte von den Plan-Werten abwichen. Vielmehr mussten die Plan-Werte selbst unzutreffend, also unplausibel sein. In entsprechender Anwendung der Rechtsprechung zur Plausibilität von Unternehmensbewertungen musste hierfür in erheblichem Maße gegen Denkgesetze verstoßen worden sein. Wurde der Einigungsbereich aber tatsächlich unzutreffend ermittelt und lag der vom Steuerpflichtigen gewählte Wert aber noch innerhalb des letztlich zutreffenden Einigungsbereichs, konnte die Finanzverwaltung eine Korrektur vornehmen oder darauf verzichtet. Ob eine Korrektur vorgenommen wurde, lag letztlich im pflichtgemäßen Ermessen der Finanzverwaltung. Für die Ermessensausübung kam es u.a. darauf an, ob die Abweichung vom Mittelwert im zutreffenden Einigungsbereich erheblich ist und ob dem Steuerpflichtigen die Fehlerhaftigkeit der Ermittlung des Einigungsbereichs bekannt war oder bekannt sein musste, etwa wegen einer entsprechenden Beanstandung bei einer vorhergehenden Prüfung. Das nachfolgende Beispiel illustriert die frühere Rechtslage.
Beispiel:
Die D-GmbH mit Sitz in München ist Inhaberin einer selbstgeschaffenen und daher nicht bilanzierten Marke. Sie will diese Marke an ihre Tochtergesellschaft, die B-SLR, mit Sitz in Bukarest verkaufen. Aufgrund der Spezifika der Marke scheidet ein tatsächlicher Fremdvergleich aus. Der Verrechnungspreis für die Marke muss daher im Rahmen eines hypothetischen Fremdvergleichs bestimmt werden. Hierbei ergibt sich für die D-GmbH ein Mindestpreis i.H.v. 7.000.000 Euro und für die B-SRL ein Höchstpreis i.H.v. 10.000.000 Euro. Diese Beträge bilden die Grenzen des Einigungsbereichs. Da die B-GmbH und die B-SRL keinen anderen Wert glaubhaft machen können, setzen sie als Verrechnungspreis für die Marke den Mittelwert und damit einen Betrag i.H.v. 8.500.000 Euro an. Im Rahmen einer Betriebsprüfung gelangt die Finanzverwaltung in der Folge zu dem Ergebnis, dass der von der D-GmbH und der B-SRL ermittelte Einigungsbereich unzutreffend ist. Die Finanzverwaltung geht von einem zutreffenden Einigungsbereich i.H.v. 8.000.000 Euro bis 12.000.000 Euro aus. Da die D-GmbH und die B-SRL keinen anderen Wert glaubhaft machen können, wäre der Mittelwert anzusetzen, also ein Betrag i.H.v. 10.000.000 Euro. Die Finanzverwaltung konnte nach bisherigem Recht auf eine Korrektur jedoch verzichten, da der von der D-GmbH und der B-SRL angesetzte Wert i.H.v. 8.500.000 Euro noch innerhalb des zutreffenden Einigungsbereichs liegt (§ 1 Abs. 3 Satz 8 a.F.). Ob sie auf eine Korrektur verzichtet, lag in ihrem pflichtgemäßen Ermessen.
Rz. 1289
Neue Rechtslage ab Geltung des AbzStEntModG. In der ab dem Veranlagungszeitraum 2022 geltenden, neuen Rechtslage fehlt es an einer § 1 Abs. 3 Satz 8 a.F. (vgl. vorstehende Rz. 1288) entsprechenden Regelung. Hinsichtlich der Auswahl eines Wertes innerhalb des Einigungsbereichs gibt § 1 Abs. 3a Satz 6 lediglich vor, dass der Mittelwert des Einigungsbereichs der Verrechnungspreisbestimmung zugrunde zu legen ist, wenn der Steuerpflichtige nicht glaubhaft macht, dass ein anderer Wert innerhalb des Einigungsbereichs dem Fremdvergleichsgrundsatz entspricht. Kommt die Finanzverwaltung – z.B. im Rahmen einer Betriebsprüfung – zu einem anderen Einigungsbereich, wird sie daher bei einer möglichen Verrechnungspreiskorrektur nach dem hypothetischen Fremdvergleich den Mittelwert des von ihr best...