Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
Rz. 36
Einkünftekorrektur. Ein Steuerinländer kann Geschäftsbeziehungen zu einer von ihm beherrschten ausländischen Zwischengesellschaft unterhalten. Werden im Rahmen dieser Geschäftsbeziehungen Entgelte vereinbart, die zwischen fremden Dritten unüblich sind, so können dadurch die Einkünfte des Steuerinländers im Inland gemindert sein. Für diesen Fall enthält § 1 die Möglichkeit einer Einkünftekorrektur, was die Gefahr einer Doppelbesteuerung heraufbeschwört. In Tz. 1.8 VWG Verrechnungspreise 2021 sieht die Finanzverwaltung eine Gegenberichtigung bei der Ermittlung der Zwischeneinkünfte vor.
Rz. 36.1
Einkünfteminderung eines Stpfl. Das weitere Verhältnis zwischen § 1 und den §§ 7–13 muss aus zwei verschiedenen Perspektiven betrachtet werden. Die eine Perspektive geht von der Tatsache aus, dass § 1 die Einkünfteminderung eines Stpfl. voraussetzt. Aus der Sicht der §§ 7–13 ist Stpfl. der Steuerinländer, der an der ausländischen Zwischengesellschaft unmittelbar oder mittelbar gem. § 7 beteiligt ist. Dieser Stpfl. erzielt Einkünfte i.S.d. § 2 Abs. 1 EStG, wobei der Hinzurechnungsbetrag gem. § 10 Abs. 2 eine (fiktive) Erhöhung der Einkünfte aus Kapitalvermögen oder aus Gewerbebetrieb bewirkt. Zwar kann der Hinzurechnungsbetrag durch Bedingungen im Rahmen von Geschäftsbeziehungen zum Ausland gemindert sein, die fremde Dritte unter vergleichbaren Verhältnissen nicht vereinbart hätten. Wird die Anwendung des § 1 vorerst zurückgestellt, kann der Hinzurechnungsbetrag durch eine Einkünftekorrektur unter den Voraussetzungen einer vGA oder vE beeinflusst werden; insoweit wirkt der Fremdvergleichsgrundsatz „ in die Hinzurechnungsbesteuerung hinein ”. Abweichend hierzu kann sich die zusätzlich in § 1 Abs. 1 geforderte Einkünfteminderung jedoch nur auf den Unterschiedsbetrag nach § 4 Abs. 1 EStG und nicht auch auf die um einen Hinzurechnungsbetrag erhöhten Einkünfte beziehen. Im Ergebnis bedeutet dies, dass § 1 innerhalb der §§ 7–13 unanwendbar ist. Man kann dem entgegenhalten, dass § 10 Abs. 3 Satz 1 die entsprechende Anwendung – auch des § 1 – auf die Zwischeneinkünfte der Zwischengesellschaft vorschreibt. Dann hätte jedoch die Zwischengesellschaft mit dem Stpfl. in § 10 gleichgestellt werden müssen. An einer solchen Gleichstellung fehlt es. Deshalb fallen unter § 10 Abs. 3 Satz 1 nur die Vorschriften, die nicht an eine bestimmte im Inland steuerpflichtige Person anknüpfen. Dazu gehört § 1 nicht. Der BFH scheint diesen Gesichtspunkt übersehen zu haben. Außerdem müssten bei entsprechender Anwendung auf die ausländischen Zwischengesellschaft auch deren Einkünfte gemindert werden. Dies ist vor dem Hintergrund der niedrigen Besteuerung ein atypischer Fall, da in der Sachverhaltskonstellation die Einkünfte der Zwischengesellschaft durch die fremdunüblichen Verrechnungspreise erhöht sein wird (vgl. Vor §§ 7–14 Rz. 59).
Rz. 36.2
Geschäftsbeziehungen zum Ausland. Die andere Perspektive setzt bei der Tatsache an, dass § 1 Abs. 1 Geschäftsbeziehungen zum Ausland voraussetzt. Die ausländische Zwischengesellschaft, deren Zwischeneinkünfte der inländischen Hinzurechnungsbesteuerung unterliegen, ist jedoch zwangsläufig im Ausland ansässig. Sie kann überhaupt nur dann Geschäftsbeziehungen zum Ausland unterhalten, wenn sie über inländische Einkünfte i.S.d. § 49 EStG verfügen sollte. Dies gilt auch im Fall von Mitwirkungstatbeständen i.S.d. § 8 Abs. 1 Nr. 4–6. Aus der Sicht dieser Perspektive fände § 1 nur ausnahmsweise für den Fall Anwendung, dass die Zwischengesellschaft inländische Einkünfte aus passivem Erwerb erzielt. Dies ist die Auffassung des BFH. Die Auffassung ist insoweit unbefriedigend, als § 1 innerhalb der Hinzurechnungsbesteuerung entweder immer oder nie Anwendung finden sollte. Es leuchtet nicht ein, dass die Vorschrift nur dann Anwendung finden soll, wenn ein inländischer Einkünftebezug besteht, der ohnehin zur beschränkten Steuerpflicht der Zwischengesellschaft führt.
Rz. 36.3
Mögliche Doppelbesteuerungskonsequenzen. Im Grundsatz gilt, dass § 1 und §§ 7 ff. nebeneinander anzuwenden sind. Treffen eine Einkünfteerhöhung aufgrund einer Korrektur nach § 1 Abs. 1 und die Hinzurechnungsbesteuerung zusammen, besteht das Risiko einer Doppelbesteuerung. Denn der Betrag, um den die Einkünfte des inländischen Steuerpflichtigen erhöht werden, wird nicht "automatisch" im Ausland gegenkorrigiert.
Beispiel 1
Der unbeschränkt steuerpflichtige A ist an der ausländischen Zwischengesellschaft Z zu 100 % beteiligt, die ihrerseits an der inländischen Kapitalgesellschaft K zu 100 % beteiligt ist. Z erbringt der K eine Dienstleistung zu einem unangemessen niedrigen Preis. Die Dienstleistung erhöht den Gewinn der K. Würde mithilfe des § 1 auch der dem A zuzurechnende Hinzurechnungsbetrag bei Z erhöht, so würde der Vorteil im Inland doppelt versteuert.
Lösung
Richtigerweise fehlt es an "Geschäftsbeziehungen zum Ausland", weil die Einkünfteminderung im Ausland (bei Z) eintritt. Z h...