Dr. Xaver Ditz, Prof. Dr. Dr. h.c. Franz Wassermeyer
1. Überblick und allgemeine Anwendungsvoraussetzungen
Rz. 1126
Tatbestandsmerkmale einer Funktionsverlagerung. § 1 Abs. 3b enthält keine Definition für den Begriff der Funktionsverlagerung. Eine solche ergibt sich nur aus § 1 Abs. 2 FVerlV 2022. Danach ist von einer Funktionsverlagerung auszugehen, "wenn eine Funktion einschließlich der dazugehörigen Chancen und Risiken sowie der mitübertragenen oder mitüberlassenen Wirtschaftsgüter oder sonstigen Vorteile ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, sodass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann." Eine Funktionsverlagerung setzt folglich voraus, dass
- eine Funktion als Verlagerungsgegenstand vorliegt (Rz. 1128),
- diese Funktion ganz oder teilweise übertragen oder überlassen wird, sodass das übernehmende Unternehmen diese Funktion ausüben oder eine bestehende Funktion ausweiten kann (sog. Verlagerung der Funktion, Rz. 1146) und
- Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile, die der Funktionsausübung zugrunde liegen, sowie die damit verbundenen Chancen und Risiken übertragen bzw. zur Nutzung überlassen werden (Rz. 1167).
Rz. 1127
Allgemeine Voraussetzungen des § 1 Abs. 1. Neben den Merkmalen einer Funktionsverlagerung i.S.d. § 1 Abs. 2 FVerlV 2022 setzt eine Einkünftekorrektur auf Basis des § 1 Abs. 1 durch die Finanzbehörden im Zusammenhang von Funktionsverlagerungen auch die Erfüllung der allgemeinen Tatbestandsvoraussetzungen der Vorschrift voraus. Infolgedessen ist der Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3b und der FVerlV nur eröffnet, wenn die Funktionsverlagerung eine Geschäftsbeziehung i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 darstellt. Nach § 1 Abs. 4 ist eine Geschäftsbeziehung ein wirtschaftlicher Vorgang, dem "keine gesellschaftsvertragliche Vereinbarung zugrunde liegt" (zu Einzelheiten vgl. Rz. 2721). Stehen demnach Funktionsverlagerungen in einem Zusammenhang mit solchen gesellschaftsrechtlichen Maßnahmen, ist zu prüfen, ob § 1 dem Grunde nach überhaupt Anwendung finden kann. Die Geschäftsbeziehung muss im Übrigen zu einer ausländischen nahestehenden Person i.S.d. § 1 Abs. 2 bestehen (zu Einzelheiten vgl. Rz. 501). Darüber hinaus bedarf es einer Minderung der steuerpflichtigen Einkünfte im Inland. Schließlich finden die Vorschriften zur Funktionsverlagerung auch bei Geschäftsvorfällen zwischen dem Steuerpflichtigen und seiner im Ausland gelegenen Betriebsstätte Anwendung (§ 1 Abs. 5 Satz 1).
2. Funktion
a) Betriebswirtschaftliche Definition
[1] Wird eine Funktion ...
Rz. 1128
Begriff der Organisationslehre. Der Begriff der Funktion wird in der betriebswirtschaftlichen Organisationslehre verwendet. Hier bezeichnet er selbständige Teilaufgaben eines Unternehmens als "homogene Gruppe von Handlungen ", welche aus einer Aufteilung der unternehmerischen Gesamtaufgabe entstanden ist. Eine Funktion stellt damit ein Bündel aus mehreren zusammengehörenden Aufgaben dar und umfasst immer nur einen Teilbereich der unternehmerischen Gesamtwertschöpfung. Einzelne Funktionen sind infolgedessen das Ergebnis der Aufgabenteilung innerhalb eines Unternehmens. Diese Aufgabenteilung führt zur Entstehung verschiedenster Aufgaben(bündel), die jeweils nicht sämtliche zur Erwirtschaftung der Gesamtwertschöpfung notwendigen Elemente umfassen. Damit verfügen Funktionen über – in Bezug auf die unternehmerische Gesamtaufgabe – eingeschränkte Entscheidungs-, Weisungs- und Ausführungsbefugnisse. Sie stehen komplementär nebeneinander und ergänzen sich in ihrer Gesamtheit zur unternehmerischen Gesamtwertschöpfung.
Rz. 1129
Vertikale und horizontale Arbeitsteilung. Die Aufteilung der unternehmerischen Gesamtaufgabe in einzelne Teilaufgaben ("Funktionen") dient im Wesentlichen der Realisierung von Effizienzvorteilen, indem organisatorische Teileinheiten des Unternehmens (Stellen oder Abteilungen) für bestimmte Aufgaben verantwortlich sind bzw. diese ausüben. Die einzelnen Teilaufgaben (Funktionen) eines Unternehmens können auf Basis der folgenden Merkmale gebildet bzw. definiert werden:
- Verrichtung (Abgrenzung anhand der zugrunde liegen...