4.1 Zeitlich befristetes Ausnahmeverfahren
Der Gesetzgeber sieht neben dem elektronischen Lohnsteuerverfahren für solche Fälle ein Ersatzverfahren vor, in denen aus technischen Gründen oder sonstigen nicht vom Steuerpflichtigen zu vertretenden Hinderungsgründen ein unbeschränkt Steuerpflichtiger zunächst keine IdNr erhalten kann oder aufgrund von Fehlern in der Datenbank vom BZSt keine korrekten ELStAM-Daten zur Verfügung gestellt werden können.
Berechnung nach den voraussichtlichen ELStAM
Um die Nachteile der Steuerklasse VI zu vermeiden, bietet das Gesetz dem Arbeitnehmer hier die Möglichkeit, für die Dauer von 3 Monaten die Lohnsteuerabzugsmerkmale "auf Zuruf" des Arbeitnehmers, also ohne elektronischen Abruf, anzuwenden. Bei Flüchtlingen oder Asylbewerbern kann unterstellt werden, dass die Voraussetzungen für die Anwendung der voraussichtlichen Lohnsteuerabzugsmerkmale vorliegen, insbesondere der Steuerklasse I für die Einbehaltung der Lohnsteuer.
Vorsicht bei Steuerklasse III "auf Zuruf"
Vorsicht ist geboten, wenn der Arbeitnehmer die familiengerechte Steuerklasse III beantragt. Wegen der späteren Korrekturpflicht und der damit verbundenen Arbeitgeberhaftung sollte von der Möglichkeit des Splittingtarifs nur in unstreitigen Fällen im Rahmen der 3-Monatsfrist im Lohnsteuerverfahren von Flüchtlingen und Asylbewerbern Gebrauch gemacht werden.
Rückwirkende Korrektur nach Ablauf von 3 Monaten
Der Gesetzgeber schafft mit der 3-Monatsfrist ein zeitlich befristetes Ersatzverfahren, solange der elektronische Datenabruf nicht möglich ist. Erhält der Arbeitnehmer zwischenzeitlich vom BZSt seine IdNr mitgeteilt, hat er seinen Arbeitgeber hierüber zu unterrichten. Mit dieser Angabe und dem (bereits vorliegenden) Geburtsdatum ist der Arbeitgeber in der Lage, die ELStAM des Arbeitnehmers abzurufen, um so zum elektronischen Verfahren zu wechseln. Kann i. R. d. 3-Monatsfrist keine ELStAM abgerufen werden, ist der Lohnsteuerabzug rückwirkend nach der Steuerklasse VI durchzuführen. Sobald dem Arbeitgeber die zutreffenden ELStAM-Daten für den Arbeitnehmer vorliegen, ist der Lohnsteuerabzug für die vorangegangenen Kalendermonate zu überprüfen und ggf. rückwirkend zu korrigieren. Die zu viel oder zu wenig erhobene Lohnsteuer ist mit der nächsten Lohnabrechnung auszugleichen. Im Übrigen sind die Regelungen des § 41c EStG zu beachten (Anzeigepflicht bei zu wenig einbehaltener Lohnsteuer).
4.2 (Ersatz-)Bescheinigung über die maßgebenden Besteuerungsmerkmale
Als weiteres Ersatzverfahren, von dem auch bei Asylbewerbern und Flüchtlingen Gebrauch gemacht werden kann, wenn bei unbeschränkt steuerpflichtigen Arbeitnehmern (noch) keine Identifikationsnummer zugeteilt wurde, sieht der Gesetzgeber eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug in Papierform vor. Die Bescheinigung kann ab 2021 auch der Arbeitgeber beantragen, wenn ihn der Arbeitnehmer dazu bevollmächtigt hat. Das Finanzamt kann dem Arbeitnehmer eine Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug für die Dauer eines Kalenderjahres ausstellen (ELStAM-Bescheinigung). Legt der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber eine vom Finanzamt ausgestellte ELStAM-Bescheinigung vor, sind die darauf eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale maßgebend.
Der Arbeitgeber hat diese in das Lohnkonto des Arbeitnehmers zu übernehmen und dem Lohnsteuerabzug während der Gültigkeitsdauer der Papierbescheinigung zugrunde zu legen.
Hat der Arbeitnehmer die Ausstellung einer solchen Bescheinigung für den Lohnsteuerabzug nicht beantragt oder legt er sie nicht vor, hat der Arbeitgeber die Lohnsteuer nach der Steuerklasse VI zu ermitteln.