Rz. 21
Die Abweichungsbefugnis der Länder ist inhaltlich nicht begrenzt (s. bereits Rz. 6 ff.) und erstreckt sich auch auf die Belastungsentscheidung des Landesgesetzgebers für die Grundsteuer. Der Streit über zulässige Belastungsgründe und Belastungsprinzipien geht bei der neuen Grundsteuer weiter. Er wird letztlich vor den Verfassungsgerichten ausgefochten werden. Die Vorstellung einer einzig möglichen legislatorischen Setzung des Belastungsgrundes verträgt sich bereits nicht mit dem Institut der Abweichungsgesetzgebung. Art. 72 Abs. 3 Satz 1 GG bestätigt vielmehr die "Pluralität der Belastungsgründe" bei der Grundsteuer. Der föderale Grundsteuerpluralismus belegt, dass eine Verengung der Grundsteuer auf eine bestimmte Ausgestaltung und einen tragenden Belastungsgrund kontrafaktisch wäre. Verfassungsrechtlich gefordert ist sie nicht (s. Rz. 8 f., 11). Die Kompetenz des Landesgesetzgebers zur Ausgestaltung der Grundsteuer wird zudem weder durch das Bundes-GrStG noch durch den von ihm gesetzten Belastungsgrund der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit inhaltlich eingeschränkt. Wenn der Landesgesetzgeber zwingend auf ein bestimmtes, am Leistungsfähigkeitsprinzip ausgerichtetes Modell der Grundsteuer ausgerichtet wäre, würde die Eröffnung der Abweichungsgesetzgebung leerlaufen (s. Rz. 10). Auch das BVerfG schreibt in seiner Rechtsprechung zum Gleichheitssatz bei der Grundsteuer eine Ausrichtung am Leistungsfähigkeitsprinzip nicht explizit vor. Die Leitentscheidung vom 10.4.2018 als unmittelbarer Reformanlass verwendet den Begriff "Leistungsfähigkeit" trotz der darauf gestützten Gleichheitsrüge in seiner Begründung zur Unvereinbarkeit mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht. Darum ist gegenüber alternativen Begründungen der Landesgrundsteuer mit dem Äquivalenzprinzip (s. VerfR GrStG Rz. 21 f.) und auch kumulativen Begründungen, wie sie in Baden-Württemberg verfolgt werden (krit. LGrStG BW Rz. 14 f.), von Verfassungs wegen grundsätzlich nichts einzuwenden. Abweichungen beim Belastungsgrund sind als solche nicht verfassungskritisch, sondern nur im Fall einer nicht folgerichtigen Umsetzung des gewählten Belastungsgrundes (s. VerfR GrStG Rz. 19 ff., 27). Das erscheint gerade bei "Kombinationsmodellen", die das reine Flächenmodell mit Wertkriterien kombinieren, wie gegenwärtig das Hamburger Wohnlagemodell, das hessische Flächen-Faktor-Verfahren und das niedersächsische Flächen-Lage-Modell (s. Rz. 1) wegen der Anforderung der folgerichtigen Umsetzung zweifelhaft (s. VerfR GrStG Rz. 23, 38).
Rz. 22
Der finanzverfassungsrechtlich zu wahrende Typus der Grundsteuer (s. Rz. 11) bedingt keine Ausrichtung der Bemessungsgrundlage und der Steuerlast am aktuellen Verkehrswert des Grundstücks. Die Grundsteuer ist die einzige derzeit erhobene (Sonder-)Vermögensteuer, die auf den "Vermögenstand", aber nicht notwendig auf den Marktwert des ruhenden Vermögens ausgerichtet sein muss. Dass die Besteuerung des "Vermögenstandes" von Grundvermögen nicht zwingend am (nicht realisierten) Marktwert auszurichten ist, erhellt bei einer Gesamtschau der Steuerarten auch die Grunderwerbsteuer, die sich als Transaktionssteuer bei Grundstücksveräußerungen nach dem realisierten Marktpreis als Gegenleistung bemisst (§ 8 Abs. 1 GrEStG). Warum der abweichungswillige Landesgesetzgeber aus verfassungsrechtlichen Gründen zusätzlich den ruhenden Grundbesitz am (nicht durch eine Transaktion bestätigten) Marktwert orientieren muss, ist nicht ersichtlich. Eine früher zum Teil angenommene Fixierung der Grundsteuer auf den Verkehrswert ist überwunden und die legislativen Spielräume für äquivalenztheoretische Grundsteuermodelle wurden erweitert. Darum ist der Landesgesetzgeber zur Ausrichtung der Bemessungsgrundlage und der Steuerlast am aktuellen Verkehrswert nicht durch kompetenzrechtliche Vorgaben zur Wahrung des Typus der Grundsteuer verpflichtet.