Leitsatz
Haben Gesellschafter einer GmbH wirksam vereinbart, dass Leistungen in die Kapitalrücklage gesellschafterbezogen zugeordnet werden, wird jedoch die Kapitalrücklage im Zusammenhang mit einer Kapitalerhöhung abweichend hiervon allen Gesellschaftern entsprechend ihren Beteiligungsquoten zugerechnet, kann der Verzicht auf einen angemessenen Wertausgleich durch den Gesellschafter, der die Leistungen erbracht hat, eine freigebige Zuwendung zugunsten der Mitgesellschafter darstellen.
Hintergrund: Gesetzliche Regelung
Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStGgilt als Schenkung unter Lebenden jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Ob der Bedachte bereichert ist, bestimmt sich ausschließlich nach der Zivilrechtslage. Als Bereicherung kommt dabei grundsätzlich jede Vermögensmehrung sowie jede Minderung von Schulden oder Belastungen beim Bedachten in Betracht.
Streitfrage: Kann ein Forderungsverzicht Gegenstand einer freigebigen Zuwendung sein?
Streitig ist, ob in dem jeweiligen Verzicht eines Gesellschafters auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung einer GmbH und dem vollständigen Ausgleich seiner Einzahlungen in die Kapitalrücklage eine gemischte Schenkung an die Mitgesellschafter vorliegt
Sachverhalt
Forderungsverzicht des V im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung einer GmbH
Der vom BFH zu beurteilende Sachverhalt stellte sich verkürzt folgendermaßen dar:
- Der Kläger, sein Vater V und sein Bruder B schlossen am 27.6.2006 einen notariell beurkundeten Vertrag über die Errichtung einer GmbH. Das Stammkapital i.H.v. 27.000 EUR brachten die Gesellschafter durch Bareinlagen i.H.v. jeweils 9.000 EUR auf.
- Mit notariellem Vertrag vom 15.11.2012 beschlossen die Gesellschafter der GmbH, das Stammkapital von 27.000 EUR auf 554.500 EUR zu erhöhen.
- Zur Übernahme der neuen Geschäftsanteile i.H.v. jeweils 263.750 EUR wurden nur die Söhne (der Kläger und B) zugelassen.
- Die Kapitalerhöhung erfolgte in der Weise, dass der Kläger und B im Wege der Sacheinlage Beteiligungen an anderen Gesellschaften in die GmbH einbrachten, die ihnen V mit notariellem Vertrag vom 24.10.2012 unentgeltlich übertragen hatte.
- Infolge der Kapitalerhöhungverringerte sich die Beteiligung des V am Gesellschaftsvermögen der GmbH von 33,33 % auf 1,623084 % (9.000 EUR/554.500 EUR) und erhöhten sich die Beteiligungen des Klägers und die des B von jeweils 33,33 % auf 49,188458 % (272.750 EUR/554.500 EUR).
- Im Gegenzug für den Verzicht des V auf die Teilnahme an der Kapitalerhöhung trafen die Beteiligten in dem notariellen Vertrag vom 15.11.2012 eine Ausgleichsvereinbarung, in der sie unter anderem festlegten, dass die Veränderung der Kapitalbeteiligungen auch zu einer Veränderung der Ansprüche der Gesellschafter an und auf die Kapitalrücklage, welche bei der Gesellschaft besteht, führt.
- Bei der Bestimmung des bei V eingetretenen Wertverlusts rechneten sie die Kapitalrücklage der GmbH (vor Kapitalerhöhung) i.H.v. 4,95 Mio. EUR den Gesellschaftern in Höhe von jeweils einem Drittel zu. Für V ergab sich eine Wertminderung in Bezug auf seine Beteiligung an der GmbH.
- Das Finanzamt (FA) sah den Wertverlust des V durch die Ausgleichsvereinbarung vom 15.11.2012 als nicht vollständig ausgeglichen an und erblickte darin eine gemischte Schenkung von V an den Kläger und B. Das FA setzte Schenkungsteuer fest.
Mit Einspruchsentscheidung vom 10.8.2017 setzte das Finanzamt (FA) die Schenkungsteuer herab und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück, Die hiergegen erhobene Klage war erfolgreich. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, das FA sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass V seinen Mitgesellschaftern eine Zuwendung gemacht habe. Diese Ansicht verkenne, dass die Aufstockung der Kapitalrücklage auf disquotalen Einlagen des V beruhe, die nach der im Einlagezeitpunkt geltenden Rechtslage nicht der Schenkungsteuer unterlegen hätten.
Die Formulierung in den Gesellschafterbeschlüssen, dass der jeweilige Kapitalbetrag in die Kapitalrücklage des Unternehmens umgebucht werde als Kapitalrücklage des V ändere nichts daran, dass V im Zeitpunkt der Kapitalerhöhung nur zu einem Drittel an der von ihm aufgebrachten Kapitalrücklage beteiligt gewesen sei. Die geleistete Einlage stelle Eigenkapital der GmbH dar, das allein der Gesellschaft und nicht den Gesellschaftern zustehe.
Entscheidung
BFH hält die Revision des FA für begründet
Der BFH hält die Revision des FA für begründet und hat die Klage abgewiesen. Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass der Forderungsverzicht des V im Zusammenhang mit der Kapitalerhöhung der GmbH nicht den Tatbestand der freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG erfüllt. Das FA hat die Schenkungsteuer auch der Höhe nach zutreffend festgesetzt. Hierzu führte der BFH u.a. aus:
- Das FG hat das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung i.S.d. § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStGzu Unrecht mit der Begründung verneint, der Verzicht des V auf einen vollen Wertausgleich für seine Kapitalzuführungen führe nicht zu einer Bereich...