OFD Koblenz, Verfügung v. 8.4.2003, S 2350 A
Aufwendungen für ein berufsbegleitendes Erststudium (BFH vom 17.12.2002, VI R 137/01) bzw. für eine Umschulungsmaßnahme, die die Grundlage dafür bildet, von einer Erwerbs- oder Berufsart zu einer anderen überzuwechseln (BFH vom 4.12.2002, VI R 120/01), können Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbstständiger Arbeit darstellen. Voraussetzung hierfür ist, dass eine hinreichende berufliche Veranlassung besteht. Für die steuerliche Beurteilung ist es unerheblich, ob die Bildungsmaßnahme eine Basis für andere Berufsfelder schafft oder einen Berufswechsel vorbereitet. Der Bundesfinanzhof gibt mit dieser Rechtsprechung seine bisherige Rechtsauffassung zur Abgrenzung von Berufsausbildungs- und Berufsfortbildungskosten auf.
Es ist beabsichtigt, die vorgenannten Entscheidungen im Bundessteuerblatt zu veröffentlichen. Es bestehen daher keine Bedenken, die Grundsätze dieser Urteile ab dem Zeitpunkt der Veröffentlichung in allen offenen Fällen, denen ein vergleichbarer Sachverhalt zu Grunde liegt, anzuwenden.
Die Anerkennung als Fortbildungskosten und damit als unbeschränkt abziehbare Werbungskosten setzt voraus, dass eine berufliche Veranlassung vorhanden ist. Die Beurteilung, ob dies bejaht werden kann, bitte ich beim derzeitigen Erkenntnisstand nach folgenden Grundsätzen vorzunehmen:
Eine berufliche Veranlassung liegt vor, wenn ein objektiver Zusammenhang mit dem Beruf besteht und die Aufwendungen subjektiv zur Förderung des Berufs getätigt werden (ständige Rechtsprechung). Diese Voraussetzung kann grundsätzlich bei einer berufsbezogenen Bildungsmaßnahme erfüllt sein, sofern ein konkreter und enger Zusammenhang mit der Berufstätigkeit besteht. Die Fortbildungsmaßnahme muss konkret und berufsbezogen auf die vom Arbeitnehmer auch ernsthaft angestrebte Berufstätigkeit vorbereiten. Bei der Beurteilung ist nicht danach zu differenzieren, ob es sich um eine akademische oder eine nichtakademische Bildungsmaßnahme handelt.
Regelmäßig ist die berufliche Veranlassung vorhanden, wenn die Fortbildungsmaßnahme auf den bisher ausgeübten Beruf aufbaut. Dies gilt insbesondere dann, wenn die erste Berufsausbildung notwendige Voraussetzung für die Teilnahme an der Weiterbildungsmaßnahme ist. Die Voraussetzung ist ebenfalls erfüllt, wenn ein Steuerpflichtiger bereits einige Jahre berufstätig ist und ein berufsbegleitendes Studium aufnimmt, um in seinem Beruf besser voranzukommen, seine Kenntnisse zu erweitern und seine Stellung im Betrieb zu festigen. Dies gilt unabhängig davon, ob die Fortbildungsmaßnahme vom bisherigen Arbeitgeber verlangt wird oder aber vom Arbeitnehmer freiwillig betrieben wird.
Auch Aufwendungen im Zusammenhang mit Umschulungsmaßnahmen können nunmehr zu den Fortbildungskosten gehören. Hier bitte ich die Auffassung zu vertreten, dass eine Berücksichtigung nur in solchen Fällen in Betracht kommt, in denen der Steuerpflichtige bereits dauerhaft berufstätig ist oder war. Führt die Umschulungsmaßnahme zu einem gänzlich neuen Berufsabschluss, handelt es sich um Werbungskosten, wenn dies die Grundlage dafür bildet, von einer Berufs- oder Erwerbstätigkeit zu einer anderen überzuwechseln. Dies kann z.B. bei Arbeitnehmern der Fall sein, die mit dem neuen Berufsfeld nach Zeiten der Arbeitslosigkeit wieder Einnahmen erzielen wollen.
Aufwendungen, die einem Steuerpflichtigen, der bisher noch keinerlei Berufsausbildung absolviert hat (z.B. Schulabgänger), entstehen, weil er erstmals eine berufliche Ausbildung bzw. ein Erststudium betreibt, bitte ich, weiterhin als Berufsausbildungskosten im Sinne des § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG zu behandeln. Dies gilt auch in den Fällen, in denen Steuerpflichtige neben ihrer Ausbildung in geringem Umfang arbeiten, um sich die Kosten des Lebensunterhalts sowie der Ausbildung hinzu zu verdienen. Eine andere Beurteilung ist wie bisher nur möglich, wenn die Maßnahme Gegenstand eines ernstlich vereinbarten Ausbildungsverhältnisses ist und der Steuerpflichtige daraus Arbeitslohn im Sinne des § 19 EStG bezieht.
Ergänzend weise ich darauf hin, dass Kosten, die nach den vorgenannten Grundsätzen als Fortbildungskosten zu berücksichtigen sind, auch als vorweggenommene Werbungskosten anerkannt werden können, wenn feststeht, dass der Steuerpflichtige eine Anstellung anstrebt und dem Arbeitsmarkt – gegebenenfalls erst nach Abschluss der konkreten Weiterbildungsmaßnahme – tatsächlich uneingeschränkt zur Verfügung steht (BFH vom 18.4.1996, BStBl 1996 II S. 482). Unter Beachtung der Grenzen, die sich im Hinblick auf die Festsetzungsverjährung bzw. die Berichtigungsvorschriften ergeben, können Steuerpflichtige diese Aufwendungen im Rahmen des § 10d Abs. 4 EStG geltend machen.
Normenkette
EStG § 9
EStG § 10 Abs. 1 Nr. 7