Kommentar
Die Besteuerung des Nutzungswerts ( Nutzungswert ) der Wohnung im eigenen – oder unentgeltlich überlassenen – Haus ( § 21 Abs. 2 Satz 1 EStG ) wurde im Bereich der alten Bundesländer zum 31. 12. 1986 grundsätzlich abgeschafft ( § 52 Abs. 21 Satz 1 EStG ). Allerdings kann nach der sog. großen Übergangsregelung ( § 52 Abs. 21 Satz 2 EStG ) für eine Wohnung im eigenen Haus der Nutzungswert bis 31.12.1998 weiter im Wege der Einnahme-Überschußrechnung umgesetzt werden, wenn bei dem Steuerpflichtigen im Veranlagungszeitraum 1986 die Voraussetzungen für die Ermittlung des Nutzungswerts als Überschuß des Mietwerts über die Werbungskosten vorgelegen haben.
Bei Erlaß dieser Übergangsregelung konnte der Gesetzgeber freilich den späteren Beitritt der neuen Bundesländer noch nicht berücksichtigen. Da das Einkommensteuerrecht der alten Bundesrepublik ab dem 1. 1. 1991 auch in den neuen Bundesländern gilt, ist § 52 Abs. 21 EStG an sich im Jahr 1991 grundsätzlich auch im Beitrittsgebiet anzuwenden. Andererseits bezieht sich die Übergangsregelung zur Fortführung der Nutzungswertbesteuerung auf das Einkommensteuerrecht der alten Bundesrepublik und nicht (auch) auf den gleichlautenden § 21 Abs. 2 EStG der ehemaligen DDR.
Für Steuerpflichtige in den neuen Bundesländern kommt deshalb ausgehend vom Gesetzeswortlaut eine Fortführung der Nutzungswertbesteuerung (regelmäßig) nicht in Betracht, weil sie im Veranlagungszeitraum 1986 hinsichtlich der im Beitrittsgebiet belegenen Wohnung keinen Nutzungswert nach dem EStG der alten Bundesrepublik zu ermitteln hatten.
Wegen des verfassungsrechtlichen Grundsatzes der Gleichbehandlung (Gleichheitssatz des Art. 3 GG ) ist jedoch eine entsprechende Anwendung der großen Übergangsregelung im Beitrittsgebiet geboten, wenn sich für das Jahr 1986 in der ehemaligen DDR eine Nutzungswertbesteuerung selbstgenutzter Wohnungen feststellen läßt, die der Nutzungswertbesteuerung nach dem Recht der damaligen Bundesrepublik im wesentlichen entsprach. Abzustellen ist insoweit nicht nur auf die Rechtsvorschriften zur Nutzungswertbesteuerung und deren Auswirkungen im Rahmen der Einkommensermittlung, sondern ebenso auf die Besteuerungspraxis in der früheren DDR.
Link zur Entscheidung
BFH, Urteil vom 21.10.1997, IX R 29/95
Hinweise:
1. Die Steuerpflichtigen sind zu je einem Viertel Eigentümer eines Mehrfamilienhauses in Thüringen. Dieses nutzen sie teils zu eigenen Wohnzwecken, teils vermieten sie es. Für das Streitjahr 1991 machten sie Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch für die mit dem Mietwert erfaßten selbstgenutzten Wohnungen geltend. Letzteres lehnte das Finanzamt ab. Während die Klage beim FG Thüringen, Urteil v. 3. 5. 1995, EFG 1995 S. 805, erfolglos blieb, gab der BFH der Revision der Steuerpflichtigen insoweit statt, als die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen wurde, um festzustellen, ob 1986 nach der Besteuerungspraxis der früheren DDR der Nutzungswert der eigenen Wohnung einkommensteuerlich vergleichbar dem Recht in den alten Bundesländern erfaßt wurde.
2. Letztere Frage ist offen und wird in der Literatur nicht behandelt, da diese bisher davon ausgegangen war, daß die sogenannte große Übergangsregelung in den neuen Bundesländern nicht gelte (vgl. z. B. Schmidt/Drenseck, EStG, 16. Aufl., § 10e Rz. 0). Bis zur Klärung der offenen Frage der früheren Besteuerungspraxis empfiehlt es sich, solche Besteuerungsfälle nicht rechtskräftig werden zu lassen, sondern durch Einspruch mit dem Antrag auf Ruhen des Verfahrens ( § 363 Abs. 2 AO 1977) bzw. Klage offenzuhalten.