Leitsatz
1. Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Steuerschuldners ist die Feststellung einer vor Insolvenzeröffnung mit einem Einspruch angefochtenen und im Prüfungstermin vom Insolvenzverwalter bestrittenen Steuerforderung durch Aufnahme des unterbrochenen Einspruchsverfahrens zu betreiben. Aufgrund der bereits festgesetzten Steuer kommt der Erlass eines Feststellungsbescheids nach § 251 Abs. 3 AO in einem solchen Fall nicht mehr in Betracht.
2. Ist eine Steuerforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter durch eine Einspruchsentscheidung bestandskräftig festgestellt worden, fehlt einer Klage auf Feststellung, dass die Finanzbehörde den Anspruch aus dem Steuerschuldverhältnis wirksam und bestandskräftig als Insolvenzforderung gegenüber dem Insolvenzverwalter festgestellt hat, das Feststellungsinteresse.
Normenkette
§ 251 Abs. 3 AO 1977 , § 180 Abs. 2 InsO , § 185 InsO
Sachverhalt
Gegen eine GmbH waren zwei Körperschaftsteuerbescheide ergangen, gegen die diese Einspruch eingelegt hatte. Bevor über den Einspruch entschieden werden konnte, wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der GmbH eröffnet. Im Termin zur Prüfung der angemeldeten Forderungen bestritt der Insolvenzverwalter die Forderungen des FA. Daraufhin erteilte das FA dem Verwalter einen mit "Einspruchsentscheidung" überschriebenen Bescheid, in dem es heißt, die durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochenen Einspruchsverfahren würden aufgenommen und in das Feststellungsverfahren übergeleitet; die angemeldeten Steuerforderungen würden gem. § 251 Abs. 3 AO als Insolvenzforderungen festgestellt.
Gegen diesen Bescheid legte der Verwalter Einspruch ein. Diesen verwarf das FA als unzulässig; es meinte, gegen die Einspruchsentscheidungen hätte Klage erhoben werden müssen; da dies nicht geschehen sei, seien die Feststellungsbescheide bestandskräftig geworden. Auf Klage des Insolvenzverwalters hob das FG die eben genannte zweite Einspruchsentscheidung auf und stellte die Nichtigkeit der ersten "Einspruchsentscheidung" fest.
Entscheidung
Die erste Einspruchsentscheidung ist nicht nichtig, sondern zu Recht ergangen; sie leidet deshalb nicht an einem schwerwiegenden Fehler. Das FA hat mit ihr das durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochene Rechtsbehelfsverfahren wieder aufgenommen und seine Insolvenzforderungen gem. § 251 Abs. 3 AO festgestellt. Die Klage des Insolvenzverwalters gegen die zweite Einspruchsentscheidung ist folglich unbegründet.
Hinweis
Steuerforderungen des FA sind bekanntlich im Allgemeinen durch Steuerbescheid festzusetzen. Ist jedoch über das Vermögen des Steuerschuldners ein Insolvenzverfahren anhängig, gilt das nicht; dann darf ein Steuerbescheid nicht (mehr) ergehen. Vielmehr ist die Steuerforderung vom FA beim Insolvenzverwalter zur Tabelle anzumelden. Wird die Steuerforderung dann im Prüfungstermin vom Verwalter oder den konkurrierenden Insolvenzgläubigern bestritten, ist die Steuerforderung gem. § 251 Abs. 3 AO durch Bescheid festzustellen (nicht: festzusetzen). Gegen diesen Bescheid kann der Bestreitende ein Rechtsbehelfsverfahren anstrengen, das seinen gewöhnlichen Verlauf nimmt.
Wie aber ist es, wenn vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens ein Steuerfestsetzungsbescheid ergangen ist und dagegen vom Steuerschuldner Einspruch eingelegt oder Klage erhoben worden ist?
Klage- und Einspruchsverfahren werden dann zunächst unterbrochen. Sie können (und müssen ggf.) nach insolvenzrechtlicher Prüfung der Forderung des FA wieder aufgenommen und fortgeführt werden. Das Einspruchsverfahren insbesondere kann vom FA fortgeführt werden, wenn der Insolvenzverwalter oder ein Insolvenzgläubiger die Steuerforderung im Prüfungstermin bestritten hat. Nach § 180 Abs. 2 i.V.m. § 185 InsO ist auf diese Weise die (insolenzrechtlich gebotene) "Feststellung" der Steuerforderung zu betreiben. Der sonst zur Titulierung von Steuerforderungen im Insolvenzverfahren vorgeschriebene sog. Feststellungsbescheid nach § 251 Abs. 3 AO ist also nicht zu erlassen; er würde ja die bereits titulierte Steuerforderung erneut titulieren, was nicht richtig sein kann.
Vielmehr tritt die Rechtsbehelfsentscheidung an die Stelle des Feststellungsbescheids, nimmt diesen also gleichsam in sich auf. Gegenstand der Einspruchsentscheidung ist folglich die Rechtmäßigkeit des die Steuer festsetzenden Bescheids ebenso wie die Rechtmäßigkeit der Geltendmachung der Steuerforderung als Insolvenzforderung (vgl. BFH, Urteil vom 26.11.1987, V R 133/81, BStBl II 1988, 199). Die Feststellung der Steuerforderung wird zum (unselbstständigen) Bestandteil der Entscheidung.
Im Besprechungsfall musste allerdings dieses Verhältnis von Rechtsbehelfsentscheidung und Steuerfeststellung durch Auslegung der Einspruchsentscheidung des FA etwas mühsam ermittelt werden. Immerhin entsprach der Tenor der Entscheidung des FA richtigerweise dem Tenor eines Feststellungsurteils. Der Rechtscharakter der Entscheidung des FA wäre noch klarer hervorgetreten, wenn das FA etwa so teno...