Die Bundesregierung, die EU und die internationale Gemeinschaft haben in den letzten Jahren bei der Bekämpfung von Steuervermeidung wichtige Fortschritte erreicht. So konnte man sich auf G20/OECD-Ebene auf Maßnahmen gegen BEPS einigen, BEPS-Empfehlungen in das europäische und nationale Steuerrecht überführen sowie globale Standards für Transparenz in Gestalt des automatischen Informationsaustauschs setzen. Nun tauschen die Staaten Informationen u. a. über Finanzkonten, Steuervorbescheide, länderbezogene Berichte und – innerhalb der EU – über Steuergestaltungen aus.
Deutschland hatte bereits zuvor steuergesetzliche Regelungen auf nationaler Ebene eingeführt, die dem Problem der Steuervermeidung entgegenwirken, wie zum Beispiel die Zinsschranke, die Lizenzschranke oder die Hinzurechnungsbesteuerung.
Mit der internationalen Einigung auf das BEPS-Projekt im Jahr 2015 und der anschließenden Umsetzung wichtiger BEPS-Empfehlungen in der EU durch die "Anti Tax Avoidance Directive" (ATAD) sowie dem automatischen Austausch von Informationen zu Steuervorbescheiden (Tax Rulings) ist das steuerliche Schutzniveau gegen aggressive Steuergestaltungen auch über Deutschland hinaus deutlich erhöht worden. Die deutsche Zinsschrankenregelung diente sogar als Vorbild für BEPS-Aktionspunkt 4 sowie Artikel 4 der Anti Tax Avoidance Directive (ATAD), nach der alle EU-Mitgliedstaaten eine entsprechende Regelung nunmehr verbindlich einzuführen hatten.
Mit den im ATAD-Umsetzungsgesetz vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2035) enthaltenen Regelungen zur Neutralisierung von Besteuerungsinkongruenzen im Zusammenhang mit hybriden Gestaltungen wurde zudem eine weitere Maßnahme des BEPS-Projekts (Aktionspunkt 2) umgesetzt. Ebenso zu nennen ist der auf BEPS-Aktionspunkt 13 zurückgehende zwischenstaatliche Informationsaustausch über länderbezogene Berichte (Country-by-Country Reports), der den Finanzbehörden wichtige Informationen liefert, die sie als Anhaltspunkte im Rahmen von Verrechnungspreisprüfungen nutzen können.
In Umsetzung des BEPS-Aktionspunktes 12 wurde in der Europäischen Union mit der Anpassung der EU-Amtshilferichtlinie 2011/16/EU durch die Richtlinie (EU) 2018/822 (DAC 6) vom 25. Mai 2018 eine unionsweite einheitliche Pflicht zur Meldung grenzüberschreitender Steuergestaltungen und zum automatischen Austausch von Informationen über solche Steuergestaltungen zwischen den Steuerbehörden der Mitgliedstaaten geschaffen. In Deutschland wurde dies durch das Gesetz zur Einführung einer Pflicht zur Mitteilung grenzüberschreitender Steuergestaltungen vom 21. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2875) umgesetzt.
Während der deutschen EU-Ratspräsidentschaft im Jahr 2020 wurde die Weiterentwicklung der zwischenstaatlichen Amtshilfe erfolgreich verhandelt. Die zwischenzeitlich in Kraft getretene jüngste Änderung der EU-Amtshilferichtlinie (DAC 7) sieht insbesondere eine EU-weite und einheitliche Verpflichtung für digitale Plattformen vor, den Steuerbehörden Nutzende zu melden, die Einkünfte auf diesen Plattformen erzielen. Dies ermöglicht die gesetzmäßige Besteuerung der wirtschaftlichen Aktivitäten von Plattformnutzern. Auf diese Weise werden das Steueraufkommen gesichert und die Steuerfairness wirksam gefördert. Die Umsetzung in Deutschland erfolgte durch das Plattformen-Steuertransparenzgesetz vom 20. Dezember 2022 (BGBl. I S. 2730).
Das Steueroasen-Abwehrgesetz vom 25. Juni 2021 (BGBl. I S. 2056) bedeutet für das gemeinsame Vorgehen der Europäischen Union gegen Steueroasen einen wichtigen Fortschritt. Denn dadurch wurden strikte Maßnahmen eingeführt, die Personen und Unternehmen davon abhalten sollen, Geschäftsbeziehungen in Steueroasen fortzusetzen oder neu aufzunehmen. Konkret greifen eine verschärfte Hinzurechnungsbesteuerung, wenn in einer Steueroase eine sogenannte Zwischengesellschaft ansässig ist, und verschärfte Quellensteuermaßnahmen, wenn beispielsweise Zinsaufwendungen an in Steueroasen ansässige Personen geleistet werden. Darüber hinaus finden auf Basis eines zeitlichen Stufenmodells gewisse Steuerbefreiungen auf Gewinnausschüttungen und Anteilsveräußerungen keine Anwendung, und Betriebsausgaben sowie Werbungskosten, die in einem Zusammenhang mit Steueroasen stehen, können steuerlich nicht mehr geltend gemacht werden. Zudem gelten bei solchen Geschäftsbeziehungen deutlich strengere Auskunftspflichten gegenüber dem Finanzamt.
In Umsetzung des BEPS-Aktionspunktes 6 (Verhinderung von Abkommensmissbrauch) werden deutsche Doppelbesteuerungsabkommen (DBA) entweder durch bilaterale Verhandlungen oder durch Anwendung des im Rahmen von BEPS-Aktionspunkt 15 erstellten Mehrseitigen Übereinkommens vom 24. November 2016 zur Umsetzung steuerabkommensbezogener Maßnahmen zur Verhinderung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung (BEPS-MLI) u. a. um einen "Principal Purpose Test (PPT)" ergänzt. Dabei handelt es sich um eine Generalklausel gegen missbräuchliche Inanspruchnahme von Vorteilen eines DBA. Diese Umsetzung erfolgte mit Stand zum 1. Mai 2022 in zehn deuts...