Leitsatz
Eine promovierte Chemikerin, die Zertifikate als "DGQ-Fachauditor für die chemische Industrie" und als "DGQ-Umweltsystem-Auditor" besitzt und die Unternehmen auf die von diesen gewünschte Zertifizierung vorbereitet, Umweltgefährdungspotenziale analysiert, Managementsysteme für den betrieblichen Umweltschutz entwickelt, Arbeitsplätze des Unternehmens im Hinblick auf die für die Arbeitnehmer ausgehenden Gefährdungen beurteilt, entsprechende Lösungen zur Gefahrenabwehr erarbeitet, geeignete Lagerungssysteme zur sicheren Aufbewahrung von das Grundwasser gefährdenden Flüssigkeiten auswählt und entsprechende Betriebsanweisungen erstellt, übt eine einem Handelschemiker ähnliche Tätigkeit aus.
Normenkette
§ 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG, § 4 Abs. 2 UAG
Sachverhalt
Die Klägerin ist promovierte Diplom-Chemikerin. Nach der Teilnahme an verschiedenen Fortbildungsmaßnahmen und der Ablegung von Prüfungen wurden ihr im Jahr 1993 von der Deutschen Gesellschaft für Qualität e.V. (DGQ e.V.) das DGQ-Zertifikat für Qualitätsmanagement und die Qualifikation als "DQG-Fachauditorin für die chemische Industrie" und im Jahr 1995 das DGQ-Zertifikat als Umweltsystem-Auditor zuerkannt.
Im Juli 2001 – also nach dem Streitjahr 1999 – wurde sie von der Deutschen Gesellschaft zur Zertifizierung von Managementsystemen mbH (DQS; Distributed Queuing System) zum DQS-Auditor berufen.
Die Klägerin entfaltete im Rahmen ihrer selbstständigen Tätigkeit die im Leitsatz beschriebenen Aktivitäten und erklärte daraus Einkünfte aus selbstständiger Arbeit (§ 18 EStG).
Das FA stufte ihre Tätigkeit als gewerblich ein und erließ einen Gewerbesteuermessbescheid. Das FG beurteilte die Tätigkeit als ingenieurähnlich und gab der Klage statt (EFG 2006, 663).
Entscheidung
Die Revision des FA hatte keinen Erfolg.
Der BFH hat dahingestellt gelassen, ob die Tätigkeit der Klägerin dem in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Beruf des Ingenieurs ähnlich ist. Denn sie sei zumindest der des – ebenfalls in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten – Berufs des Handelschemikers ähnlich.
Die Klägerin habe ein Chemie-Studium abgeschlossen und ihre Tätigkeit umfasse auch die Analyse bestimmter wissenschaftlich-technisch orientierter Probleme. Im Übrigen könne der beratende und/oder gutachtlich tätige Chemiker aus Gründen der steuerlichen Belastungsgleichheit nicht höher besteuert werden als der beratende (vgl. zum Abfallberater, BFH, Urteil vom 9.2.2006, IV R 27/05, BFH/NV 2006, 1270) oder der gutachtlich tätige Ingenieur (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 9.7.1992, IV R 116/90, BStBl II 1993, 100).
Für die freiberufliche Natur der Umweltgutachter-Tätigkeit spreche auch § 4 Abs. 2 UAG, der bestimme, dass die Tätigkeit als Umweltgutachter keine gewerbsmäßige Tätigkeit sei.
Hinweis
Der BFH hatte erneut über die Qualifizierung eines neuen Berufs (Umweltgutachter i.S.d. Umweltauditgesetzes -UAG-) als freiberuflich oder gewerblich zu entscheiden. Dieser Beruf ist dadurch gekennzeichnet, dass er auf unterschiedlichen Hochschulabschlüssen aufbaut und den Erwerb zusätzlicher Qualifikationen erfordert.
Die für die Zertifizierung als Umweltgutachter erforderliche Fachkunde kann in der Regel nur nachweisen, wer über den Abschluss eines Hochschulstudiums auf den Gebieten "der Wirtschafts- oder Verwaltungswissenschaften, der Naturwissenschaften oder Technik, der Biowissenschaften, Agrarwissenschaften, Forstwissenschaften, Geowissenschaften, der Medizin oder des Rechts" verfügt (vgl. § 7 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 3 UAG).
Die Annahme einer freiberuflichen Tätigkeit setzt die Ausübung eines der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufs (Katalogberufe) oder "ähnlicher Berufe" voraus. Für die Annahme eines "ähnlichen Berufs" verlangt der BFH auch eine Vergleichbarkeit der Ausbildung (vgl. z.B. BFH, Urteil vom 22.1.2004, IV R 51/01, BFH-PR 2004, 254).
Die in § 7 Abs. 2 Nr. 1 UAG genannten Studiengänge sind nicht deckungsgleich mit den in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Berufen.
Der Beruf des Handelschemikers ist in den Katalog des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG aufgenommen worden. Dadurch liegt im Fall eines Chemiestudiums die Annahme nahe, dass der Beruf des Umweltgutachters diesem Beruf "ähnlich" ist.
Offen bleibt danach, wie die Tätigkeit eines Umweltgutachters zu beurteilen ist, der ein anderes Hochschulstudium, z.B. ein Studium der Agrarwissenschaften, abgeschlossen hat. Es ist unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes (Art. 3 GG) aber kaum vorstellbar, den Beruf des Umweltgutachters in diesem Fall nicht als freiberuflich einzustufen.
Der Steuerpflichtige kann sich dabei auf § 4 Abs. 2 UAG stützen, wonach die Tätigkeit der Umweltgutachter keine gewerbsmäßige Tätigkeit ist. Dies ist in den Gesetzesmaterialien damit begründet worden, dass die Zertifizierung als Umweltgutachter i.d.R. eine Hochschulausbildung voraussetzt und die Verknüpfung eines anspruchsvollen fachlichen Qualifikationsprofils mit den Anforderungen strikter Neutralität und Zuverlässigkeit für den Umweltgutachter ein Berufsbil...