a) Akteneinsicht in Kindergeldsachen
Anspruch auf fehlerfreie Ermessensentscheidung: Die Akteneinsicht in Kindergeldsachen nach dem EStG richtet sich nach der AO; insoweit besteht ein Anspruch auf eine fehlerfreie Ermessensentscheidung. Bei der Abwägung der Interessen des Einsichtssuchenden und der Familienkasse ist zu berücksichtigen, dass der Verwaltungsaufwand regelmäßig geringer ist als in Steuersachen,
- weil sich in Kindergeldakten seltener als in anderen Steuerakten Daten von und Informationen über Dritte befinden, die durch das Steuergeheimnis geschützt sind,
- weil in elektronischer Form geführte Kindergeldakten leichter zu duplizieren sind als Papierakten und dann trotz Akteneinsicht für die Fallbearbeitung zur Verfügung stehen, und
- weil elektronisch geführte Akten durch die Gewährung von Akteneinsicht keinem erhöhten Integritäts- oder Verlustrisiko ausgesetzt sind.
b) Einwendungen bezüglich Höhe des zur Auszahlung gekommenen Kindergeldes
Wendet sich der Kindergeldberechtigte mit Einwendungen bezüglich der Höhe des zur Auszahlung gekommenen Kindergeldes gegen den in einem Kindergeldbescheid enthaltenen Abrechnungsteil und entscheidet die Familienkasse in der Einspruchsentscheidung über die Höhe des Auszahlungsanspruches, stellt diese Entscheidung einen Abrechnungsbescheid i.S.d. § 218 Abs. 2 AO dar.
Beraterhinweis Die Qualifizierung als Abrechnungsbescheid hängt nicht davon ab, dass die Familienkasse ihre Entscheidung ausdrücklich als Abrechnungsbescheid oder als Bescheid nach § 218 Abs. 2 AO bezeichnet.
c) Rückzahlung/-forderung von Kindergeld
Für die Frage, ob Kindergeld behalten werden darf oder zurückzuzahlen ist, kommt es auf das Vorliegen von Kindergeldfestsetzungs- oder Aufhebungsbescheiden an – und nicht auf den abstrakten materiell-rechtlichen Kindergeldanspruch.
Zu Unrecht gezahltes Kindergeld: Bei der Rückforderung von zu Unrecht gezahltem Kindergeld ergibt sich bei länderübergreifenden Sachverhalten keine Anspruchskonkurrenz
- des Anspruchs nach den europarechtlichen Regelungen der VO Nr. 883/2004 und VO Nr. 987/2009
- mit dem Rückforderungsanspruch nach den nationalen Vorschriften.
Ein etwaiger Erstattungsanspruch des deutschen Leistungsträgers gegen einen ausländischen Leistungsträger nach den europarechtlichen Bestimmungen ist kein auf steuerrechtlichen Gründen beruhender öffentlich-rechtlicher Erstattungsanspruch nach § 37 Abs. 2 AO. Beachten Sie: Ein Ausgleichsanspruch zwischen den Mitgliedstaaten nach der VO Nr. 987/2009 berührt daher nicht den Rückforderungsanspruch der Familienkasse gegen den Kindergeldberechtigten.
Rechtsgrundlose Zahlung des Kindergeldes an das Kind: Zahlt die Familienkasse Kindergeld rechtsgrundlos an das Kind auf Anweisung des Kindergeldberechtigten aus, ist nur der Kindergeldberechtigte Rückforderungsschuldner. Die Erfüllungszuständigkeit für erhaltenes Kindergeld ändert sich von der Person des Kindergeldberechtigten auf einen Dritten erst nach einer Entscheidung über eine Auszahlung nach § 74 Abs. 1 EStG. Der Abzweigungsbescheid stellt
- einen für den Empfänger begünstigenden und
- einen für den Kindergeldberechtigten belastenden
Verwaltungsakt mit Doppelwirkung dar. Beachten Sie: Das bloße Bestehen einer Abzweigungslage ohne Vorliegen eines Abzweigungsbescheids lässt die Empfangsberechtigung des Kindergeldberechtigten unberührt.
d) Übertragung von Zuständigkeiten
§ 5 Abs. 1 S. 1 Nr. 11 S. 4 FVG räumt dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit nur die Befugnis ein, innerhalb seines Zuständigkeitsbereichs die Entscheidung über den Anspruch auf Kindergeld für bestimmte Bezirke oder Gruppen von Berechtigten abweichend von den Vorschriften der AO über die örtliche Zuständigkeit von Finanzbehörden einer anderen Familienkasse zu übertragen.
Für die örtliche Zuständigkeit gilt der Grundsatz der Gesamtzuständigkeit, d.h. die Zuständigkeit umfasst grundsätzlich alle Verwaltungstätigkeiten der Finanzbehörde, die sich aus dem gesamten Besteuerungsverfahren ergeben (Festsetzung, Rechtsbehelfsverfahren, Erhebung und Vollstreckung). Eine abweichende Regelung über die örtliche Zuständigkeit setzt daher eine Übertragung der Gesamtzuständigkeit für bestimmte Bezirke oder Gruppen von Berechtigten voraus.
Beachten Sie: Werden für bestimmte Gruppen von Berechtigten nur einzelne Sachaufgaben von der örtlich und damit gesamtzuständigen Familienkasse auf eine andere Familienkasse oder Behörde übertragen, betrifft dies den Gegenstand und Inhalt der der Finanzbehörde zugewiesenen Aufgaben – und damit eine Frage der sachlichen Zuständigkeit.
Beraterhinweis Werden in einem Besteuerungsverfahren von vorneherein unterschiedliche Behörden im Ausgangs- und im Rechtsbehelfsverfahren tätig, ist die dagegen gerichtete Klage nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 2 FGO gegen die Ausgangsbehörde zu richten.
Zuständigkeit für die Sachaufgabe "Inkasso": Der Vorstand der Bundesag...