Leitsatz
Dem EuGH wird die folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
Ist es mit Art. 43 und Art. 56 EG vereinbar, wenn ein deutsches Unternehmen mit Einkünften aus Gewerbebetrieb Verluste aus einer Betriebsstätte in einem anderen Mitgliedstaat (hier: Luxemburg) bei der Gewinnermittlung nicht abziehen kann, weil nach dem maßgeblichen DBA entsprechende Betriebsstätteneinkünfte nicht der deutschen Besteuerung unterliegen?
Normenkette
Art. 43, Art. 56 EG, Art. 5 Abs. 1, Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg, § 2a Abs. 3 EStG 1997 a.F.
Sachverhalt
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, betrieb ihre Geschäftstätigkeit – den Handel mit und den Vertrieb von Waren – u.a. in Luxemburg über eine dort belegene Betriebsstätte und erwirtschaftete hieraus im Streitjahr 1999 einen Verlust von 163.382 DM, den sie zunächst bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte abzog.
Das FA lehnte den Verlustabzug ab und berücksichtigte den Verlust nur im Rahmen des negativen Progressionsvorbehalts gem. § 32b EStG 1997.
Zur Begründung verwies es auf die Freistellung der Betriebsstätteneinkünfte gem. Art. 5 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 2 Satz 1 DBA Luxemburg und auf die Abschaffung von § 2a Abs. 3 EStG 1997 durch das StEntlG 1999/2000/2002 vom 24.3.1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) mit erstmaliger Wirkung vom VZ 1999 an (vgl. § 52 Abs. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StBereinG 1999 vom 22.12.1999, BStBl I 2000, 13).
Die anschließende Klage blieb erfolglos (EFG 2004, 1694).
Entscheidung
Der BFH setzte das Revisionsverfahren aus und entschied, gem. Art. 234 Abs. 3 EG den EuGH anzurufen. Einzelheiten finden sich in den Praxis-Hinweisen.
Hinweis
1. Ein "altes" und nach wie vor ungelöstes Problem erreicht nun (abermals) den EuGH: Die steuerliche Abzugsfähigkeit ausländischer (Betriebsstätten-)Verluste von der inländischen Bemessungsgrundlage.
Abermals deswegen, weil der BFH bereits im Jahr 2003 insoweit einen ersten "Versuch" gestartet hatte, nämlich in der einschlägig bekannten Rechtssache "Ritter-Coulais". Diese betraf zwar "nur" Verluste aus Vermietung und Verpachtung, ihr lag indes dieselbe Rechtsfrage zugrunde. Nur war Streitjahr seinerzeit 1987 und damit ein Jahr, in welchem die europäischen Grundfreiheiten noch nicht derart vertraglich fundiert waren, wie das heute der Fall ist. Der EuGH hat sich deswegen im Ergebnis "geweigert", die ihm vorgelegten Fragen zu beantworten.
Nunmehr wird er aber nicht umhin kommen, das nachzuholen.
2. Dabei geht der BFH in seinem Vorabentscheidungsersuchen nach wie vor davon aus, dass Auslandsverluste ebenso wie Auslandsgewinne steuerbefreit sind, wenn abkommensrechtlich die Freistellungsmethode vereinbart wurde. Das war im Besprechungsbeschluss bei Luxemburg der Fall.
Der BFH bestätigt also die sog. Symmetriethese und verwirft eine insoweit diskutierte und vorgeschlagene Abkommensauslegung, wonach Verluste und Gewinne abkommensrechtlich zweierlei sind.
Zum einen greife die abkommensrechtliche sog. Schrankenwirkung: Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sollten steuerlich begünstigen, nicht belasten. Letzteres aber sei qua Nichtberücksichtigung von Auslandsverlusten im Ergebnis der Fall.
Zum anderen ließe sich mittels einer derartigen Auslegung den gemeinschaftsrechtlich eingeforderten Grundfreiheiten leichthin und sozusagen mit nationalen "Bordmitteln" zum Durchbruch verhelfen. Einschlägig sind dabei die Grundfreiheiten der Niederlassungs- sowie der Kapitalverkehrsfreiheit (Art. 43, 56 EG).
3. Beides wird vom BFH, wie gesagt, verworfen. Er hält an der von ihm jahrzehntelang vertretenen Symmetriethese fest. Entscheidender Beleg dafür ist ihm einmal mehr § 2a Abs. 3 EStG a.F., wonach Verluste unbeschadet ihrer abkommensrechtlichen Freistellung abzugsfähig blieben und nur dann einer Nachversteuerung unterlagen, sollten sie im Ausland in späteren VZ doch noch steuerwirksam werden.
Zwar wurde jene Vorschrift mit Wirkung vom VZ 1999 an ersatzlos abgeschafft. Das nach den Gesetzesmaterialien aber erklärtermaßen nicht, um an der Symmetriethese zu rütteln, sondern um die störende aktenmäßige "Beobachtung" der Auslandsverluste und deren Steuerschicksal im Ausland aus dem Weg in den jeweiligen Folge-VZ zu räumen.
4. Auf dieser Basis der fortbestehenden Freistellungssymmetrie sah sich der BFH gezwungen, zur Wahrung des gesetzlichen Richters den EuGH anzurufen und diesen zu bitten, die Rechtslage auf ihre Vereinbarkeit mit den EG-vertraglichen Grundfreiheiten zu überprüfen.
5. Es hätte sich auch daran denken lassen, diese Prüfung "aus eigener Kraft" vorzunehmen, und zwar nach Maßgabe des jüngsten EuGH-Urteils vom 13.12.2005, Rs. C-446/03 (BFH-PR 2006, 112) in der Rechtssache "Marks & Spencer". Dort hatte der EuGH entschieden, der Abzug von Auslandsverlusten sei gemeinschaftsrechtlich nur dann geboten, wenn sie "final" seien, mit anderen Worten dann, wenn sie im Quellenstaat nicht berücksichtigt werden könnten und folglich definitiv würden. Einzelnes ergibt sich aus den Praxis-Hinweisen in BFH-PR 2006, 112.
Der BFH erken...