9.1 Grundlagen
Rz. 112
GewSt-Pflicht einer unternehmerischen Tätigkeit besteht nur, wenn und soweit das Unternehmen in einer inl. Betriebsstätte ausgeübt wird. Das GewStG enthält – auch in den §§ 28, 30 GewStG – keine Definition der gewerbesteuerlichen Betriebsstätte. Diese Vorschriften regeln die Zerlegung des Messbetrags auf die einzelnen Gemeinden, in denen das Unternehmen eine Betriebsstätte unterhält. Die Normen setzen damit das Vorhandensein einer Betriebsstätte voraus. Da keine Definition der Betriebsstätte vorliegt, ist auf die allgemeine Definition in § 12 AO zurückzugreifen. Unbeachtlich sind spezielle Betriebsstättenbegriffe, wie sie z. B. im LSt-Recht bestehen. Eine lohnsteuerrechtliche Betriebsstätte führt nicht zur GewSt-Pflicht, wenn nicht gleichzeitig eine Betriebsstätte i. S. d. § 12 AO vorliegt. Ebenso ist nicht maßgebend, ob eine Betriebsstätte i. S. d. § 4 Abs. 5 Nr. 6 EStG a. F. vorliegt.
Ob im Inland eine Betriebsstätte für GewSt-Zwecke vorliegt, bestimmt sich nach nationalem Recht. Die abkommensrechtliche Betriebsstättendefinition ist insoweit nicht maßgeblich. Liegt nach nationalem Recht eine Betriebsstätte vor, nach Abkommensrecht aber nicht, so besteht dem Grundsatz nach GewSt-Pflicht für die Betriebsstätteneinkünfte. Dies gilt auch, wenn nach dem jeweiligen DBA keine Betriebsstätte in Deutschland besteht. Ist das DBA allerdings auch auf die GewSt anwendbar, so steht Deutschland i. d. R. kein Besteuerungsrecht zu. Die Einkünfte, die in der inländischen Betriebsstätte nach nationalem Steuerrecht erzielt werden, unterliegen daher nicht der GewSt. Umgekehrt kann keine GewSt erhoben werden, wenn zwar nach Abkommensrecht eine Betriebsstätte in Deutschland besteht, aber nicht gem. § 12 AO. In diesem Fall sind die Voraussetzungen des § 2 GewStG nicht erfüllt. Bedeutung hat dies insbesondere für den Anknüpfungstatbestand des "ständigen Vertreters", der nach DBA regelmäßig eine Betriebsstätte begründet, nach § 13 AO aber nicht.
Rz. 113
Die Tatsache, dass eine gewerbliche Tätigkeit in Deutschland nur dann GewSt auslöst, wenn im Inland auch eine Betriebsstätte besteht, führt in der Praxis dazu, dass durch Gestaltung des Sachverhalts eine GewSt-Belastung in Deutschland vermieden werden kann. Kann trotz gewerblicher Tätigkeit im Inland eine Betriebsstätte vermieden werden, fällt keine GewSt an. Die Vermeidung einer Betriebsstätte bei gleichzeitiger gewerblicher Tätigkeit ist möglich, wenn eine ihrer Art nach vermögensverwaltende Tätigkeit durch eine Personengesellschaft ausgeübt wird, die durch eine ausländische Kapitalgesellschaft gewerblich geprägt ist. Dies wird insbesondere im Bereich von Immobilien genutzt. Soll diese Konstruktion durch Umgestaltung einer bereits bestehenden Konzernstruktur erreicht werden, ist zu beachten, dass die Umstrukturierung Entstrickungstatbestände auslösen kann.
9.2 Allgemeine Definition
Rz. 114
Eine Betriebsstätte ist gem. § 12 AO eine feste Geschäftseinrichtung oder Anlage, die der Tätigkeit des Unternehmens dient. Insbesondere die Stätte der Geschäftsleitung, eine Zweigniederlassung, eine Geschäftsstelle, Fabrikations- oder Werkstätten, ein Warenlager, Ein- oder Verkaufsstellen, Bergwerke, Steinbrüche oder andere stehende, örtlich fortschreitende oder schwimmende Stätten der Gewinnung von Bodenschätzen und Bauausführungen oder Montagen von mehr als sechs Monaten gelten als Betriebsstätten.
Rz. 115
Eine Betriebsstätte setzt eine feste Geschäftseinrichtung voraus. Nach der Rechtsprechung beinhaltet die Festigkeit einer Geschäftseinrichtung ein örtliches und ein zeitliches Element. Örtlich fest ist eine Geschäftseinrichtung, wenn ein Bezug zu einem bestimmten Teil der Erdoberfläche besteht. Das zeitliche Element erfordert eine gewisse Beständigkeit im Sinne einer örtlich festen Einrichtung von einer gewissen Dauer. Der Begriff "Geschäftseinrichtung" ist dabei weit auszulegen, sodass grundsätzlich jeder körperliche Gegenstand eine Geschäftseinrichtung darstellen kann. So können selbst ein Laptop, ein Orderblock, eine Mustermappe oder der Bauchladen eines reisenden Händlers nach der Rechtsprechung eine solche Geschäftseinrichtung bilden. Die Gefahr einer ausufernden Auslegung besteht dennoch nicht, da für das Vorliegen einer Betriebsstätte die Geschäftseinrichtung fest im oben genannten Sinn sein muss.
Rz. 116
Eine Geschäftseinrichtung dient nur dann der gewerblichen Tätigkeit eines Steuerpflichtigen, wenn er eine nicht nur vorübergehende Nutzungsmöglichkeit hat. Ihm muss die tatsächliche Sachherrschaft zustehen, die ihm nicht ohne Weiteres entzogen werden kann. Eine solche Verfügungsmacht, die über die bloße tatsächliche Möglichkeit der Nutzung hinausgeht,...