Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
1.1 Systematik der Vorschrift
Rz. 1
§ 1 KStG ist die Grundnorm des Körperschaftsteuerrechts; die Bedeutung geht über die Bestimmung der unbeschränkten Steuerpflicht (so die Überschrift) hinaus. Die Vorschrift umschreibt (mittelbar) den Geltungsbereich der KSt und bestimmt damit diejenigen Steuersubjekte, die unter die KSt fallen.
§ 1 KStG steht als Kopfnorm des KStG systematisch im ersten Teil zur "Steuerpflicht". Zusammen mit § 1 EStG enthält die Vorschrift daher die personale Abgrenzung von KSt und ESt. Der ESt unterliegen nach § 1 EStG "natürliche Personen", der KSt nach § 1 KStG "Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen".
Dabei ist insbes. der Begriff der "Personenvereinigungen" nicht legaldefiniert und so vage (insbes. in der Abgrenzung zu den Personengesellschaften), dass das Gesetz zur weiteren Konkretisierung und Abgrenzung die einzelnen Rechtsformen, die der KSt unterliegen, aufzählt (vgl. Rz. 17ff.).
Rz. 2
In der Bestimmung der Körperschaftsteuersubjekte konstituiert die Vorschrift gleichzeitig eigenständige "Steuersubjekte", d. h., sie regelt, dass bestimmte Gebilde Träger von eigenständigen steuerrechtlichen Rechten und Pflichten sind. Damit löst sich das Körperschaftsteuerrecht in gewissem Umfang von der zivilrechtlichen Rechtsfähigkeit. Einerseits müssen nicht alle Gebilde (nichtnatürliche Personen), die die zivilrechtliche Rechtsfähigkeit besitzen, auch der KSt unterliegen, obwohl weitgehend Deckungsgleichheit besteht. Würde z. B. das Zivilrecht den Personenhandelsgesellschaften Rechtsfähigkeit zuerkennen (wohin, zumindest partiell, die Rechtsentwicklung gegenwärtig weist), so würden diese Gebilde doch körperschaftsteuerlich nicht Rechtssubjekt sein, weil sie in der Aufzählung des § 1 KStG nicht enthalten sind. Andererseits können z. B. nichtrechtsfähige Vereine und Vermögensmassen, die zivilrechtlich keine Rechtsfähigkeit besitzen, körperschaftsteuerlich ebenso eigenständiges Steuersubjekt sein wie z. B. Kapitalgesellschaften mit voller zivilrechtlicher Rechtsfähigkeit.
Folge der Eigenschaft als Körperschaftsteuersubjekt ist, dass diese Gebilde, ohne (juristische) Personen im zivilrechtlichen Sinne zu sein, steuerlich
- Subjekt des Steuerschuldverhältnisses sind und daher Gläubiger und Schuldner von steuerschuldrechtlichen Ansprüchen sein können,
- als Subjekt verfahrensrechtlicher Rechte und Pflichten Stpfl. i. S. d. § 33 AO sind,
- Subjekt der steuerrechtlichen Verfahren, einschl. der Rechtsbehelfs- und Finanzgerichtsverfahren, sind,
- in diesen Verfahren (durch ihre gesetzlichen Vertreter oder besonders Beauftragte) handlungsfähig sind.
Rz. 3
Als Grundnorm des Körperschaftsteuerrechts bestimmt § 1 KStG, für welche Steuersubjekte (vgl. Rz. 2) sich die Ertragsbesteuerung nach den Vorschriften des KStG richtet. Diese Regelung ist insoweit ausschließlich, als ein Gebilde, das danach Körperschaftsteuersubjekt ist, nur nach dem KStG zur Ertragsbesteuerung herangezogen werden kann. Ist dies aufgrund bestimmter Regelungen des KStG nicht möglich, z. B. bei ausl. Körperschaftsteuersubjekten, die keinen inländischen Anknüpfungstatbestand verwirklicht haben, kann eine etwaige Ertragsteuerpflicht nicht hilfsweise aus dem EStG abgeleitet werden. Die Qualifikation als Körperschaftsteuersubjekt und Einkommensteuersubjekt schließen sich gegenseitig aus.
1.2 Bedeutung der Vorschrift
Rz. 4
Die Vorschrift hat bes. Bedeutung in zweifacher Hinsicht:
- Sie definiert die der KSt unterliegenden Körperschaftsteuersubjekte.
- Sie definiert die unbeschränkte Steuerpflicht (im Gegensatz zu der beschränkten Steuerpflicht).
1.2.1 Definition der Körperschaftsteuersubjekte
Rz. 5
§ 1 Abs. 1 KStG enthält die Definition der Körperschaftsteuersubjekte. Diese Regelung gilt für den ganzen Bereich des Körperschaftsteuerrechts, d. h., ein Gebilde fällt nur dann unter den Bereich der KSt, wenn es unter eine der Fallgruppen des Abs. 1 subsumiert werden kann.
Die Steuersubjekte, die der KSt (im Gegensatz zur ESt) unterliegen, sind im Gesetz nicht definiert. § 1 Abs. 1 KSt...