Prof. Dr. Klaus-Dieter Drüen
2.1 Bedeutung und Geltungsbereich
Rz. 9
§ 10 Nr. 1 KStG dient der Abgrenzung der Einkommensverwendung von der Einkommenserzielung. Die Erzielung von Einkünften ist regelmäßig nicht Satzungszweck einer Körperschaft, sondern Mittel zum Zweck. Satzungszweck ist derjenige Zweck der Körperschaft, zu dem sie gegründet worden ist.
Rz. 9a
Der Vorschrift liegt der Gedanke zugrunde, dass Aufwendungen zur Erfüllung satzungsmäßiger Zwecke nicht der Einkommenserzielung dienen, sondern Einkommensverwendung darstellen und deshalb wie Ausgaben natürlicher Personen für private Zwecke das Einkommen nicht mindern dürfen. Aufwendungen zu Satzungszwecken mindern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ebenso wenig wie Lebenshaltungskosten natürlicher Personen, sondern führen zu einer Verwendung der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Die Nichtabzugsfähigkeit der Zweckzuwendungen ergibt sich daher aus der Systematik des Körperschaftsteuerrechts. Sie gehören ihrem Wesen nach zu dem nicht steuerbaren Bereich der Körperschaft.
Rz. 10
Die Vorschrift gilt nach ihrem Wortlaut für alle Körperschaften. Praktische Bedeutung hat sie aber fast nur für Vereine, Stiftungen und andere Zweckvermögen, weil nur bei diesen Körperschaften regelmäßig ein bestimmter Zweck in der Satzung vorgeschrieben ist. Bei Kapitalgesellschaften ist im Gesellschaftsvertrag stets der Gegenstand des Unternehmens angegeben; dieser ist aber häufig nicht mit dem satzungsmäßigen Zweck einer Stiftung oder eines Vereins vergleichbar. Gegenstand des Unternehmens einer Kapitalgesellschaft ist nämlich regelmäßig eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit. Aufwendungen hierfür dienen der Erzielung von Einkünften. Sie fallen nicht unter das Abzugsverbot des § 10 Nr. 1 KStG, sondern sind als Betriebsausgaben abziehbar. Als Satzungszweck einer Kapitalgesellschaft könnte die Vermögensmehrung der Gesellschafter angesehen werden. Dieser "shareholder value" ist der Maßstab, an dem die Kapitalgesellschaft gemessen wird und dem die Gewinnerzielung als Mittel dient. Obgleich diese Vermögensmehrung der Gesellschafter gedanklich auch unter Nr. 1 fällt, gilt diese Vorschrift hierfür jedoch nicht. Die Zuwendung von Gewinnanteilen an die Gesellschafter stellt vielmehr nach § 8 Abs. 3 KStG eine steuerlich nicht berücksichtigungsfähige Gewinnverwendung dar. Diese Vorschrift geht § 10 Nr. 1 KStG vor und verdrängt ihn für Kapitalgesellschaften. Nur ausnahmsweise kommt es auch bei Kapitalgesellschaften vor, dass aufgrund der Satzung Zuwendungen an gesellschaftsfremde Personen gemacht werden. In diesen Fällen kommt das Abzugsverbot in Nr. 1 zum Tragen.
Rz. 11
Zu den Aufwendungen, die unter das Abzugsverbot der Nr. 1 fallen, gehören Leistungen von Stiftungen an ihre Destinatäre. Das Einkommen der Stiftungen unterliegt damit, ohne Abzug der Zuwendungen an die Destinatäre, dem Regelsteuersatz nach § 23 Abs. 1 KStG. Zu einer Doppelbelastung dieser Zuwendungen mit Steuern kommt es jedoch typischerweise nicht, denn bei den Destinatären werden diese Zuwendungen regelmäßig nicht besteuert. Nur wiederkehrende Bezüge können nach § 22 Nr. 1 S. 2 EStG als sonstige Einkünfte beim Destinatär steuerpflichtig sein. Werden sie zur Erfüllung steuerbegünstigter Zwecke i. S. v. §§ 52 bis 54 AO geleistet, sind auch wiederkehrende Bezüge nicht steuerpflichtig, unabhängig davon, ob der Leistende unbeschränkt oder beschränkt körperschaftsteuerpflichtig ist; die in § 22 Abs. 1 S. 2 Buchst. a EStG enthaltene Einschränkung, dass der Leistende unbeschränkt körperschaftsteuerpflichtig sein muss, wurde durch Gesetz v. 19.12.2008 gestrichen.
Rz. 12
Aus dem Charakter der Zweckzuwendungen als Einkommensverwendung folgt, dass Rückzahlungen von Zweckzuwendungen an die Körperschaft nicht zum steuerpflichtigen Einkommen gehören. Auch die Rückzahlung gehört zum Bereich der Einkommensverwendung, nicht zur Einkommenserzielung; der Vorgang spielt sich daher im nicht steuerbaren Bereich ab.
2.2 Satzungsmäßige Zwecke
Rz. 13
Die Vorschrift wird immer angewendet, wenn mit den Aufwendungen Zwecke erfüllt werden, die dem KStSubjekt durch Stiftungsgeschäft, Satzung oder sonstige Verfassung vorgeschrieben sind. Besteht neben der Satzung ein anderer Verpflichtungsgrund mit gleichgerichtetem Inhalt, erstreckt sich das Abzugsverbot auch auf die Aufwendungen, die Ausfluss des anderen Verpflichtungsgrunds sind. Hat z. B. eine Stiftung den Zweck, Familienmitglieder mit Renten zu versorgen, sind auch die Rentenzahlungen nichtabziehbar, die einigen Empfängern dieser Renten nicht erst durch das Stiftungsgeschäf...