4.3.1 Ermittlung des Abwicklungs-Anfangsvermögens
Rz. 77
Abwicklungs-Anfangsvermögen ist das Betriebsvermögen, das am Schluss des der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs der Veranlagung zur KSt zugrunde gelegt worden ist. Dieses Vermögen der letzten laufenden Schlussbilanz des aufgelösten Unternehmens ergibt sich aus dem Buchführungswerk und ist nach den §§ 6ff. EStG zu bewerten.
Als letzte Schlussbilanz in diesem Sinne kommt entweder die Schlussbilanz des letzten vollen der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs oder die Schlussbilanz eines vom Schluss des letzten vollen Wirtschaftsjahrs bis zur Auflösung laufenden Rumpfwirtschaftsjahrs in Betracht. Ist die aufgelöste Körperschaft mit dem Ergebnis des letzten der Auflösung vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zu einer positiven KSt veranlagt worden, ist das Betriebsvermögen maßgebend, das der Veranlagung zur KSt tatsächlich zugrunde gelegt worden ist. Damit wird der Grundsatz des Bilanzzusammenhangs gewahrt; Bilanzierungsfehler, die der letzten Veranlagung zugrunde lagen, dürfen im Abwicklungs-Anfangsvermögen nicht berichtigt werden. Eine fehlerhafte Bewertung gleicht sich im Rahmen der Liquidationsbesteuerung je nach Lage des Falls zum Vorteil (Überbewertung der letzten laufenden Bilanz) oder zum Nachteil (Unterbewertung der letzten laufenden Bilanz) des Steuerpflichtigen aus. Die Berichtigung hat generell an der Quelle, d. h. der Schlussbilanz selbst, zu erfolgen.
Rz. 78
Ist eine Steuerfestsetzung für das Vorjahr unterblieben, ist gem. § 11 Abs. 4 Satz 2 KStG das Betriebsvermögen als Abwicklungs-Anfangsvermögen anzusetzen, das nach den Vorschriften über die steuerliche Gewinnermittlung auszuweisen gewesen wäre. Es handelt sich also um die steuerlichen Buchwerte. Dieser Fall wird regelmäßig nur bei kleineren Körperschaften nach R 31.1 Abs. 1 KStR vorkommen. Allerdings ist auch der Fall möglich, dass eine Steuerfestsetzung auf den Schluss des Vorjahrs wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist nicht mehr erfolgen kann. In diesem Fall stellt die Regelung sicher, dass die vorhandenen stillen Reserven noch der Liquidationsbesteuerung unterliegen, also nicht endgültig der Besteuerung entzogen werden können.
4.3.2 Gewinnausschüttungen für vorangehende Wirtschaftsjahre (S. 3)
Rz. 79
Vor Durchführung des Vermögensvergleichs ist das Abwicklungs-Anfangsvermögen gem. § 11 Abs. 4 KStG um den Gewinn eines vorangegangenen Wirtschaftsjahrs zu kürzen, der im Abwicklungsbesteuerungszeitraum für dieses Wirtschaftsjahr ausgeschüttet worden ist. Wenn auch für Zeiträume vom Beginn der Auflösung an Gewinnausschüttungen nicht mehr möglich sind, so kann doch nach Beginn der Abwicklung ein Gewinnverwendungsbeschluss gefasst werden, soweit Gewinne für Wirtschaftsjahre ausgeschüttet werden, die vor der Auflösung geendet haben. Das gilt auch für Gewinnausschüttungen für ein Rumpfwirtschaftsjahr, das für den Zeitraum vom Ablauf des letzten vollen Wirtschaftsjahrs bis zur Auflösung eingelegt wird. Entsprechend kann auch ein Gewinnausschüttungsbeschluss für Zeiträume vor Beginn der Liquidation geändert werden.
Rz. 80
§ 11 Abs. 4 KStG soll sicherstellen, dass Vermögensminderungen, die während des Abwicklungsbesteuerungszeitraums dadurch eintreten, dass Gewinne für vorangegangene Wirtschaftsjahre ausgeschüttet werden, nicht den Abwicklungsgewinn mindern. Dieses Ergebnis wäre auch ohne die Sonderregelung in Abs. 4 aufgrund des Abs. 6 i. V. m. § 8 Abs. 3 KStG eingetreten, wonach Gewinnausschüttungen den Gewinn nicht mindern dürfen. Die Regelung hat daher rein deklaratorischen Charakter.
Rz. 81
Die Vorschrift erfasst nur Gewinne, die in der Schlussbilanz auf das letzte Wirtschaftsjahr vor der Auflösung ausgewiesen und im Abwicklungszeitraum für ein vor dem Abwicklungszeitraum endendes Wirtschaftsjahr ausgeschüttet worden sind. Sie gilt nicht für Auskehrungen von Gewinnen während des Abwicklungszeitraums, die nicht in dieser Bilanz ausgewiesen wurden, d. h. für Vorabauskehrungen auf den Liquidationserlös, einschließlich verdeckter Gewinnausschüttungen (verdeckter Vorabauskehrungen) während des Abwicklungszeitraums. Diese werden nach § 8 Abs. 3 S. 2 KStG dem steuerpflichtigen Gewinn des Abwicklungszeitraums hinzugerechnet. Die Regelung ist insoweit notwendig, als solche Gewinnausschüttungen handelsrechtlich nicht zum zur Verteilung kommenden Vermögen zählen, sondern eigenständig einer (ordentlichen) Gewinnausschüttung zugänglich sind.
4.3.3 Nicht vorhandenes Abwicklungs-Anfangsvermögen (Abs. 5)
Rz. 82
War am Schluss des vorangegangenen Vz kein Betriebsvermögen vorhanden, so gilt nach § 11 Abs. 5 KStG als Abwicklungs-Anfangsvermögen die Summe der später geleisteten Einlagen. Dieser Fall tritt ein, wenn eine neu errichtete Gesellschaft noch vor Ablauf des ersten Wirtschaftsjahrs wieder aufgelöst wird. In welcher Form die Einlagen geleistet werden, ...