5.1 Offene und verdeckte Gewinnausschüttungen
Rz. 85
Eine aufgelöste Kapitalgesellschaft kann für Zeiträume nach der Auflösung keine offenen Gewinnausschüttungen mehr vornehmen. Gewinnausschüttungen sind ab dem Zeitpunkt der Auflösung nur noch möglich, soweit Gewinne für Wirtschaftsjahre ausgeschüttet werden, die vor der Auflösung geendet haben. Zuwendungen an die Anteilseigner für Zeiträume nach der Auflösung sind keine Gewinnausschüttungen, sondern Liquidationsraten. Es handelt sich dabei nicht mehr um Ausschüttungen, die auf einem den handelsrechtlichen Vorschriften entsprechenden Gewinnverwendungsbeschluss beruhen.
Rz. 86
Auch verdeckte Gewinnausschüttungen sind nach der Auflösung nicht mehr möglich. Das bedeutet aber nicht, dass verdeckte Zuwendungen der aufgelösten Gesellschaft an den Anteilseigner unbesteuert bleiben. Überlässt die aufgelöste Gesellschaft einem Anteilseigner während der Abwicklung Vermögenswerte zu einem unter ihrem gemeinen Wert liegenden Verrechnungspreis, so sind diese mit dem gemeinen Wert im Zeitpunkt ihrer Übertragung in das Abwicklungs-Endvermögen einzubeziehen. Die verdeckte Zuwendung hat den Charakter einer verdeckten (vorweggenommenen) Liquidationsauskehrung.
5.2 Organschaft mit Ergebnisabführung
Rz. 87
Ist die aufgelöste Kapitalgesellschaft eine Organgesellschaft mit Ergebnisabführung, hat dies zur Folge, dass sie eine auf Erwerb gerichtete Tätigkeit nicht mehr ausübt. Nach der Rechtsprechung des BFH sind derartige Gewinne auch nicht von der Abführungsverpflichtung des Ergebnis- oder Gewinnabführungsvertrags umfasst. Bildet die Organgesellschaft für die Zeit vom Schluss des letzten voll laufenden Wirtschaftsjahrs bis zum Tag der Auflösung ein Rumpfwirtschaftsjahr, kann auch der sich auf der Grundlage dieser Zwischenbilanz ergebende Gewinn m. E. dem Organträger noch zugerechnet werden.
Nach anderer Auffassung wird ein bestehender Ergebnis- oder Gewinnabführungsvertrag mit Eintritt der Liquidation der Organgesellschaft beendet.
In der Konsequenz ergibt sich jedoch auch hierbei die Rechtsfolge, dass ein Abwicklungsgewinn nicht in die Organschaft einzubeziehen, sondern von der Organgesellschat selbst zu versteuern ist. Diese Grundsätze gelten auch bei einer stillen Liquidation, die mangels Auflösungsbeschluss nicht der Besteuerung gem. § 11 KStG unterfällt.
Rz. 88
Fraglich ist, welche Steuerfolgen sich ergeben, sofern der Organträger liquidiert oder abgewickelt wird. Wird davon ausgegangen, dass der Ergebnis- oder Gewinnabführungsvertrag bei Liquidation einer der Vertragsparteien beendet wird, gilt dies auch bei Liquidation der Organträgerin. Mit Rechtsprechung des BFH kann m. E. zutreffend aber auch vertreten werden, dass sich mit dem Auflösungsbeschluss der werbende Zweck des Organträgers in einen Abwicklungszweck umwandelt. Der Organträger unterhält damit kein "gewerbliches Unternehmen" mehr und verliert dadurch die Eigenschaft, Organträger zu sein.
5.3 Löschung wegen Vermögenslosigkeit
Rz. 89
Wird eine Kapitalgesellschaft im Handelsregister wegen Vermögenslosigkeit gelöscht, findet keine Liquidation statt. Daher ist § 11 KStG nicht anwendbar. Somit ist mangels eines Abwicklungszeitraums auch kein Besteuerungszeitraum zu bilden. Die Steuerpflicht endet mit der Löschung im Handelsregister, wenn die Kapitalgesellschaft tatsächlich vermögenslos ist.
5.4 Löschung mit bestehenden Verbindlichkeiten
Rz. 90
In der Praxis kam die Fragestellung auf, wie mit noch bestehenden Verbindlichkeiten in einer Liquidationsschlussbilanz umzugehen sei. Betroffen hiervon sind typischerweise vermögenslose Kapitalgesellschaften, die über Gesellschafterverbindlichkeiten (oder Verbindlichkeiten ggü. verbundenen Unternehmen) verfügen, für die ein Rangrücktritt ausgesprochen wurde, um die insolvenzrechtliche Überschuldung zu vermeiden. Sofern ein Verzicht auf die Verbindlichkeit ausgesprochen würde, hätte dies die steuerpflichtige Ausbuchung zur Folge, da die Forderung bei Vermögenslosigkeit nicht werthaltig ist und in voller Höhe zu einem steuerpflichtigen Ertrag führt. Eine Löschung im Handelsregister scheint möglich zu sein. Der BFH hat die Frage der steuerlichen Behandlung im Ergebnis mangels Entscheidungserheblichkeit offengelassen. Lediglich in einem obiter dictum wurde angemerkt, dass Schulden generell zum Nennwert zu passivieren sind und lediglich außer Ansatz bleiben, sofern mit der bestehenden Schuld keine wirtschaftliche Belastung mehr verbunden ist.
Rz. 91
Die h. M. geht davon aus, dass die betroffene Gesellschaft ertragsteuerneutral zu liquidieren ist, d. h. die Verbindlichkeit ist in der Schlus...