Rz. 171c
Mit Wirkung zum 29.3.2019 wurde Abs. 3. S. 4 durch das Brexit-Steuerbegleitgesetz eingefügt. Nach dieser Vorschrift ist Abs. 3 mit der Maßgabe anzuwenden, dass allein der Austritt des Vereinigten Königreichs aus der EU nicht dazu führt, dass eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung dadurch als aus der unbeschränkten Steuerpflicht in einem Mitgliedstaat der EU ausgeschieden gilt oder als außerhalb der EU ansässig anzusehen ist. Positiv formuliert fingiert die Norm für im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtige oder dort ansässige Personen (Rz. 166) infolge des Brexit eine unveränderte Situation dergestalt, dass diese Personen für Zwecke des § 12 Abs. 3 KStG weiterhin als unbeschränkt steuerpflichtig in einem Mitgliedstaat der EU bzw. in einem Mitgliedstaat der EU als ansässig anzusehen sind. Für steuerpflichtige Personen wird das Vereinigte Königreich bei Anwendung des Abs. 3 damit weiterhin als Teil der EU fingiert, soweit sie bis zum Ablauf des 31.12.2021 im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtig oder dort als ansässig anzusehen waren. Insoweit wird der Austritt des Vereinigten Königreiches aus der EU für Zwecke des § 12 Abs. 3 KStG ignoriert.
Regelungsgrund dieser Vorschrift ist die Absicherung der durch Abs. 3 S. 1 und 2 angeordneten Rechtsfolgen.
Die Rechtsfolgen des § 12 Abs. 3 S. 1 und 2 KStG wären allein durch den Brexit nicht ausgelöst worden, da Tatbestandsmerkmal sowohl in S. 1 ("Verlegt eine Körperschaft, Vermögensmasse oder Personenvereinigung ihre Geschäftsleitung oder ihren Sitz") als auch in S. 2. ("infolge der Verlegung ihres Sitzes oder ihrer Geschäftsleitung") eine Handlung des Stpfl. ist. Daran fehlt es im Fall des Brexit jedoch. Dies würde dazu führen, dass im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtige oder ansässige Personen aufgrund des Brexit automatisch in einem Drittstaat unbeschränkt steuerpflichtig oder ansässig werden (bzw. nunmehr sind) und deshalb die spätere Verlegung des Sitzes oder der Geschäftsleitung in einen Drittstaat ohne Geltung des Satz 4 keine Besteuerung nach Abs. 3 ausgelöst hätte (Rz. 167a).
Hauptanwendungsfall des § 12 Abs. 3 S. 4 sind damit Fallgestaltungen, bei denen ein im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtiges KSt-Subjekt, welches in Deutschland beschränkt steuerpflichtig ist, seinen Sitz und/oder Geschäftsleitung aus dem Vereinigten Königreich in einen anderen Drittstaat verlegt. M.E. kommt es für die Anwendung des Satz 4 nicht darauf an, ob die nämliche Gesellschaft zuvor ihren Sitz aus der BRD in das Vereinigte Königreich verlegt hat oder nicht. Satz 4 erfasst in zeitlicher und persönlicher Hinsicht die Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung eines im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtigen oder dort ansässigen KSt-Subjektes in einen anderen Drittstaat nach dem 31.12.2020. Dabei muss dieses KSt-Subjekt bereits bis zum 31.12.2020 im Vereinigten Königreich unbeschränkt steuerpflichtig oder ansässig gewesen sein. Bestand die unbeschränkte Steuerpflicht oder die Ansässigkeit im Vereinigten Königreich bis zum 31.12.2020 nicht, handelt es sich um einen reinen – für Abs. 3 unbeachtlichen – Drittstaatenfall. Bei der Verlegung von Sitz und/oder Geschäftsleitung aus dem Vereinigten Königreich in einen Drittstaat vor dem 1.1.2021 findet § 12 Abs. 3 S. 1 aufgrund des § 1 BrexitÜG unmittelbare Anwendung, da bis zu diesem Zeitpunkt das Vereinigte Königreich nach § 1 BrexitÜG weiterhin als Mitgliedstaat der Europäischen Union gilt.