Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 39
Hatte die Muttergesellschaft weder Geschäftsleitung noch Sitz im Inland, war sie grundsätzlich als Organträger ausgeschlossen. Damit stellte sich die Frage, ob diese Rechtsfolge mit dem Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA vereinbar war. Diese Vorschrift schützt allerdings nicht den Organträger, der Gesellschafter der Organgesellschaft ist, sondern die inl. Organgesellschaft. Ihre Besteuerung darf nicht allein wegen der Beteiligung von nicht im Inland ansässigen Gesellschaftern anders oder belastender sein als wenn inl. Gesellschafter beteiligt wären. Die inl. Tochtergesellschaft kann nicht Organgesellschaft des ausl. Gesellschafters sein. Damit wird bei ihr das Einkommen besteuert; gewerbesteuerlich kommt es zu Hinzurechnungen im Verhältnis zu dem Gesellschafter, z. B. von Finanzierungsaufwendungen. Diese Rechtswirkungen würden infolge einer dann möglichen Organschaft nicht eintreten, wenn der Gesellschafter im Inland ansässig wäre. Hierin liegt im Verhältnis zu der inl. Tochtergesellschaft auf den ersten Blick ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA.
Rz. 40
Der BFH hat zur GewSt für das Streitjahr 1999 entschieden, dass ein Verstoß gegen Art. 24 Abs. 5 OECD-MA vorliegt. Die inl. Tochtergesellschaft konnte allein deswegen nicht Organgesellschaft sein, weil der Gesellschafter als möglicher Organträger im Ausland Sitz und Geschäftsleitung hatte. Damit wurde bei ihr ein GewSt-Messbetrag der Besteuerung zugrunde gelegt, was bei einer Organgesellschaft nicht der Fall gewesen wäre. Außerdem wurden Darlehenszinsen, die an den Gesellschafter bzw. an andere konzernangehörige Gesellschaften gezahlt wurden, nach damaligem Recht als Dauerschuldzinsen dem Gewerbeertrag hinzugerechnet, was ebenfalls nicht erfolgt wäre, wenn die Tochtergesellschaft eine Organgesellschaft gewesen wäre. Da Art. 24 Abs. 5 OECD-MA nur auf die Situation der Tochtergesellschaft abstellt, hat der BFH es als unbeachtlich angesehen, dass Rechtsfolge einer gewerbesteuerlichen Organschaft unter inl. Unternehmen nicht die endgültige Freistellung von der GewSt, sondern nur deren Verlagerung von der Organgesellschaft auf den Organträger gewesen wäre. Nach Art. 24 Abs. 5 OECD-MA sei nur entscheidend, dass die Tochtergesellschaft als Organgesellschaft nicht der GewSt unterlegen hätte, nicht jedoch, dass bei Betrachtung des Organkreises insgesamt eine vergleichbare Steuerbelastung entstanden wäre. Der BFH hat auch dem Umstand keine Bedeutung zugemessen, dass der Gewerbeertrag der Tochtergesellschaft infolge seiner Entscheidung endgültig der Gewerbebesteuerung entzogen wurde, da das ausl. Recht kaum die Möglichkeit vorsieht, solche Gewerbeerträge bei der Muttergesellschaft zu besteuern, ganz abgesehen davon, dass das ausl. Recht kaum eine der deutschen GewSt vergleichbare Steuer kennt.
Rz. 41
Trotz der Kritik der Literatur an der Rspr. zur grenzüberschreitenden Organschaft hat der BFH daran festgehalten und es im Fall einer deutschen Mutter- und einer belgischen Tochtergesellschaft als möglich angesehen, die Organschaftsregeln anzuwenden. Im Urteilsfall hatte die deutsche Muttergesellschaft Verbindlichkeiten gegenüber der ausl. Tochtergesellschaft. Gestritten wurde über die Hinzurechnung der gezahlten Zinsen bei der GewSt. Der Stpfl. argumentierte, da die Hinzurechnung bei einer nationalen Organschaft zu unterbleiben habe, müsse das auch im grenzüberschreitenden Fall gelten; andernfalls liege eine Diskriminierung, und damit ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 43 EGV bzw. Art. 49 AEUV vor. Trotz der vom BFH weiterhin als möglich angesehenen grenzüberschreitenden Organschaft wurde die Klage jedoch abgewiesen. Der BFH stellte darauf ab, dass das Unterlassen der Hinzurechnung von Zinsen im Organkreis auf einer Billigkeitsregelung beruht, um eine doppelte Erfassung mit inl. GewSt zu vermeiden. Sie komme daher nicht in Betracht, wenn es nicht zu einer solchen Doppelerfassung komme, weil die Zinserträge als ausl. Betriebsstättengewinne bei der GewSt gekürzt werden.
Rz. 42
Die Rspr. des BFH zu einer grenzüberschreitenden Organschaft aufgrund des abkommensrechtlichen Diskriminierungsverbots hat heute keine Bedeutung mehr, da die Organschaft für inl. und ausl. Organträger durch das Gesetz v. 20.2.2013 gleichartig geregelt worden ist. Sonderbestimmungen für ausl. Organträger, wie bisher in § 18 KStG, bestehen nicht mehr. Damit entfällt auch ein möglicher Verstoß gegen ein DBA-rechtliches Diskriminierungsverbot.
Rz. 43
Es ist jedoch zweifelhaft, ob überhaupt eine Diskriminierung vorlag, da für den inl. Organträger eine inl. Geschäftsleitung, also eine inl. Betriebsstätte, verlangt wird. Bei Vorliegen einer inl. Betriebsstätte konnte aber auch ein ausl. Stpfl. nach § 18 KStG Organträger sein. Soweit zwischen inl. Tochtergesellschaft und ausl. Muttergesellschaft kein Ergebnisabführungsvertrag abgeschlossen wurde, konnte sich aus den Diskriminierungsverboten der DBA ebenfalls kei...