Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 359
Der Ergebnisabführungsvertrag muss tatsächlich durchgeführt, d. h. der ganze Gewinn der Organgesellschaft an den Organträger abgeführt und der ganze Verlust der Organgesellschaft vom Organträger übernommen werden. Teilgewinnabführungsverträge nach § 292 Abs. 1 Nr. 2 AktG genügen daher nicht für eine Organschaft. Besteht an der Organgesellschaft eine stille Gesellschaft, beeinträchtigt dies die Abführung des "ganzen Gewinns" nicht, wenn es sich um eine typische stille Gesellschaft handelt. Der Gewinnanteil des Stillen wird als Betriebsausgabe behandelt und hat daher keine andere Qualifikation als gewinnabhängige Fremdkapitalzinsen. Das gilt auch, wenn die stille Gesellschaft handelsrechtlich als Teilgewinnabführungsvertrag aufgefasst wird. Dies soll nur die Anwendung der aktienrechtlichen Vorschriften über Unternehmensverträge absichern, besagt aber nichts darüber, ob der "ganze Gewinn" abgeführt worden ist. Besteht an einer Kapitalgesellschaft eine atypische stille Gesellschaft, ist die Kapitalgesellschaft nicht als Organgesellschaft geeignet.
Rz. 359a
Fraglich kann sein, ob noch der "ganze" Gewinn abgeführt wird, wenn die Organgesellschaft Vertragspartei einer Gewinngemeinschaft nach § 292 Abs. 1 Nr. 1 AktG ist. M.E. ist in einem solchen Fall eine Organschaft nicht möglich. Ein Gewinngemeinschaftsvertrag und ein Ergebnisabführungsvertrag schließen einander jedenfalls steuerlich aus. Bei einem Gewinngemeinschaftsvertrag wird ein Teil des Gewinns einer anderen Kapitalgesellschaft zugeordnet bzw. ein Teil des Verlustes von einer anderen Kapitalgesellschaft übernommen. Das ist mit dem steuerlichen Erfordernis der Abführung des "ganzen" Gewinns bzw. der Übernahme des "ganzen" Verlusts nicht zu vereinbaren.
Rz. 359b
Nach dem Wortlaut des Gesetzes muss der Ergebnisabführungsvertrag während seiner gesamten Geltungsdauer tatsächlich durchgeführt und damit der ganze Gewinn dieses Zeitraums abgeführt werden. Das bedeutet, dass die Organschaft jedenfalls für diejenigen Jahre nicht anerkannt werden kann, in denen der Ergebnisabführungsvertrag nicht durchgeführt wurde. Die Regelung bedeutet weiter, dass die Organschaft von Anfang an nicht wirksam ist, wenn der Ergebnisabführungsvertrag für ein Jahr während der Mindestlaufzeit von 5 Jahren nicht durchgeführt wurde. Dagegen bedeutet die Vorschrift nicht, dass die Nichtdurchführung für ein Jahr nach dem Ende der Mindestlaufzeit dazu führt, dass die Organschaft für die Vergangenheit oder die Zukunft für die gesamte Dauer der Organschaft nicht mehr anzuerkennen ist. Zwar ist der Ergebnisabführungsvertrag dann nicht während seiner ganzen Laufzeit durchgeführt worden. Nach dem im Steuerrecht herrschenden Jahresprinzip ist die steuerliche Anerkennung des Ergebnisabführungsvertrags jedoch für jedes Jahr gesondert zu beurteilen; Fehler in der Durchführung für ein Jahr wirken sich also außerhalb der Mindestlaufzeit nicht auf andere Jahre aus. Eine Auswirkung auf andere Jahre hätte ausdrücklich geregelt werden müssen. Das ist aber nur im Hinblick auf die Mindestlaufzeit von 5 Jahren geschehen, nicht für spätere Zeiträume. Nicht zu folgen ist daher der Ansicht, dass die Organschaft nach Nichtdurchführung des Ergebnisabführungsvertrags für ein Jahr nur anzuerkennen sein soll, wenn der Ergebnisabführungsvertrag danach wieder für einen Zeitraum von 5 Jahren tatsächlich durchgeführt wird. Diese Ansicht wäre nur gerechtfertigt, wenn der Ergebnisabführungsvertrag nach der Nichtdurchführung für ein Jahr neu abgeschlossen werden müsste, da das Gesetz nur für diesen Fall die 5-Jahres-Frist vorsieht. Das Gesetz bestimmt nach seinem eindeutigen Wortlaut nur für den Abschluss des Gewinnabführungsvertrags, dass dieser auf 5 Jahre bindend sein muss. Die Mindestlaufzeit bezieht sich also nur auf den Abschluss des Vertrags, nicht auf die Fortführung nach einem Jahr der Nichtdurchführung. Der Ergebnisabführungsvertrag bleibt aber handelsrechtlich trotz Nichtdurchführung für ein Jahr wirksam, muss also nicht neu abgeschlossen werden. Das ist auch steuerlich anzuerkennen.
Rz. 359c
Wird der Gewinnabführungsvertrag während der Mindestlaufzeit von 5 Jahren für ein Jahr tatsächlich nicht durchgeführt, stellt sich die Frage, ob darauf die Grundsätze der "Organschaftspause" anzuwenden sind.
Dafür spricht, dass der Gewinnabführungsvertrag dann immer noch für 5 Jahre bindend abgeschlossen worden ist. § 14 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 S. 1 KStG bestimmt aber zusätzlich, dass der Gewinnabführungsvertrag "während seiner gesamten Geltungsdauer" tatsächlich durchgeführt werden muss. Daraus ist zu schließen, dass die Mindestlaufzeit von 5 Jahren sich nicht nur auf die formale Geltungsdauer des Gewinnabführungsvertrags bezieht, sondern auch auf die tatsächliche Durchführung. Es würde dem Zweck der Mindestlaufzeit widersprechen, wenn die formale Geltungsdauer des Vertrags genügen würde, aber es nicht schädlich wäre, den Vertrag für einzelne Jahre nicht durchzuführen. Verstoß gegen die Mindestlaufze...