Prof. Dr. Gerrit Frotscher
Rz. 921
Nach § 34 Abs. 6e S. 15 KStG kann der Ertrag, der bei Abzug des Betrages eines negativen Ausgleichspostens von dem Buchwert der Beteiligung, nach S. 13 entsteht, durch Bildung einer steuerfreien Rücklage neutralisiert werden. Dadurch soll die Versteuerung dieses Betrages zeitlich gestreckt werden. Dem Stpfl. steht damit ein doppeltes Wahlrecht zu, wenn der Minderungsbetrag den Buchwert der Beteiligung übersteigt. Er kann entscheiden, ob er die Rücklage bilden will oder die Sofortversteuerung in Kauf nimmt. Entscheidet er sich für die Bildung der Rücklage, kann er entscheiden, in welcher Höhe er die Rücklage bilden will. Höchstbetrag der Rücklage ist der Betrag, um den die Summe der passiven Ausgleichsposten bzw. der negative Saldo der aktiven und passiven Ausgleichsposten den Buchwert der Beteiligung an der Organgesellschaft übersteigt. Nach § 34 Abs. 6e S. 15 KStG kann die Rücklage "bis" zur Höhe dieses Betrags gebildet werden. Daraus folgt, dass soweit die Höhe des Beteiligungsbuchwerts ausreicht, den Umbuchungsbetrag zu neutralisieren, keine Rücklage gebildet werden kann. Der Abzug von dem Beteiligungsbuchwert ist also gegenüber der Rücklagenbildung vorrangig. Der Stpfl. kann die Höhe der Rücklage bis zum Höchstbetrag in beliebiger Höhe bilden, also auch mit einem geringeren Betrag. Die Bildung der Rücklage ist allerdings nur in dem Jahr möglich, in dem der Minderungsbetrag entsteht, also im Vz 2022. In einem späteren Jahr kann die Rücklage nicht neu gebildet oder erhöht werden. Führt eine Außenprüfung allerdings zu einer Änderung in der Höhe der umzubuchenden Ausgleichsposten, kann eine entsprechende Anpassung der Rücklage erfolgen, allerdings nur in der Steuerbilanz desjenigen Wirtschaftsjahres, das im Vz 2022 endet. Erhöht sich der Betrag der passiven Ausgleichsposten und damit der den Buchwert übersteigenden Betrag, kann der Stpfl. erneut, und unabhängig von der früheren Entscheidung, entscheiden, ob er diesen Betrag in die Rücklage einstellen oder sofort versteuern will.
Rz. 921a
Ist Organträger eine Personengesellschaft, kann sie ebenfalls eine Rücklage bilden. Die Beschränkung auf "Steuerpflichtige" ist durch Gesetz v. 16.12.2022 beseitigt worden. Die Rücklage ist in der Gesamthandsbilanz zu bilden. Das Wahlrecht zur Bildung der Rücklage ist einheitlich für die Personengesellschaft, also gesellschaftsbezogen, auszuüben. Eine unterschiedliche Wahlrechtsausübung für jeden Gesellschafter ist damit ausgeschlossen.
Rz. 921b
War die Organschaft bereits vor dem 31.12.2021 beendet worden, sind die Ausgleichsposten ebenfalls auf das Beteiligungskonto umzubuchen (Rz. 920a). Soweit dadurch ein stpfl. Gewinn entsteht, kann er in die Rücklage eingestellt werden.
Rz. 921c
Auf den Ertrag, der in die Rücklage eingestellt wird, sind § 3 Nr. 40 Buchst. a, § 3c Abs. 2 EStG bzw. § 8b Abs. 2, 3, 6, 7 und 8 KStG nach § 34 Abs. 6e S. 16 KStG nicht anzuwenden. Diese Regelung ist überflüssig, da der Ertrag durch die Bildung der Rücklage neutralisiert wird und sich daher die Frage der Anwendung des Teileinkünfteverfahrens bzw. des § 8b KStG nicht stellt. Die Bestimmung, dass es sich um eine den steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage handelt, hätte genügt.
Rz. 921d
Die Bildung der Rücklage führt nicht zu einer endgültigen Steuerersparnis, sondern nur zu einer Verteilung des in die Rücklage eingestellten Betrags über 10 Jahre. Die Rücklage ist nach § 34 Abs. 6e S. 17 KStG im Wirtschaftsjahr ihrer Bildung sowie in den folgenden 9 Wirtschaftsjahren gleichmäßig gewinnerhöhend mit je einem Zehntel aufzulösen. Der Sache nach kann die Rücklage daher im Wirtschaftsjahr ihrer Bildung nicht in voller Höhe, sondern nur zu 90 % gebildet werden. Für die Auflösung sind die Wirtschaftsjahre des Organträgers, in dessen Steuerbilanz die Rücklage gebildet worden ist, maßgebend. Dabei ist es ohne Bedeutung, ob es sich um volle Wirtschaftsjahre oder um Rumpfwirtschaftsjahre handelt. Die Auflösung mit 10 % hat daher auch in einem Rumpfwirtschaftsjahr zu erfolgen, sodass dann in einem Vz die Auflösungsbeträge von zwei Wirtschaftsjahren zu versteuern sind. Die Auflösung hat im Normalfall gleichmäßig, d. h. in jedem Wirtschaftsjahr mit dem gleichen Betrag zu erfolgen. Diese Regelung gilt nach dem Gesetzeswortlaut "grundsätzlich". Daraus kann man m. E. schließen, dass auch eine Auflösung mit anderen Beträgen möglich ist. Die Finanzverwaltung geht jedoch davon aus, dass ein diesbezügliches Wahlrecht nicht besteht. Der Stpfl. hat jedoch nach der hier vertretenen Ansicht insoweit ein Wahlrecht. Allerdings ist eine Auflösung mit geringeren Beträgen ausgeschlossen. Der Auflösungsbetrag von 10 % ist danach als Mindestbetrag zu verstehen. Bei dieser Auslegung kann der Stpfl. die Rücklage aber schneller auflösen, entweder in einem Wirtschaftsjahr in ganzer Höhe oder in einem Wirtschaftsjahr mit einem höheren Betrag, wobei dann der Restbetrag der Rücklage über die folgenden Jahre weiterhin gleichmäßig verteilt über die verbleibenden Jahre ...